: Beim Sozialen kennt SPD nur Zahlen
Finanzsenator Sarrazin (SPD) argumentiert mit neuen Vergleichswerten für die Sozialhilfe-Kürzung. In der SPD-Fraktion gibt es keine Debatte über eine Senkung auf Brandenburger Niveau. Fraktionsvorsitzender Müller: „Grundstimmung für Einschnitte“
von ROBIN ALEXANDER
Der Streit um so genannte Ausstattungsvorsprünge bei der Sozialhilfe und verwandten Leistungen in Berlin dauert an. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) argumentiert dabei mit Vergleichswerten. Am Donnerstag veröffentlichte eine Zeitung neue, von der Finanzverwaltung kommentierte Zahlen. Tenor der Statistik: Es gibt in Berlin mehr Sozialhilfeempfänger als anderswo, sie kosten auch mehr und werden weniger zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen. Dem Statistischen Bundesamt zufolge wurden an eine „Bedarfsgemeinschaft“ – also eine Familie, die von Sozialhilfe lebt – 403 Euro monatlich ausgezahlt. Der Wert stammt aus dem Jahr 2000. In Brandenburg gab es nur 308 Euro monatlich.
Den Vergleich mit dem benachbarten Bundesland hat sich der Finanzsenator persönlich ausgedacht. Die Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) läuft dagegen Sturm. Auch gestern argumentierte ihre Sprecherin gegen die Sarrazin’sche Interpretation der Zahlen. Eine Bedarfsgemeinschaft bestehe in Berlin, wo viele kinderreiche Migrantenfamilien leben, oft aus mehr Personen als in Brandenburg.
Rückendeckung erhielt Sarrazin in der Frage der Sozialausgaben hingegen gestern vom Fraktionschef der SPD. Michael Müller erklärte vor Journalisten zur allgemeinen Diskussion über den Haushalt: „Vergleichszahlen sind immer nur ein Einstieg in die Diskussion.“ Konkret auf die Sparpläne bei den Sozialausgaben angesprochen, meinte Müller jedoch: „Es gibt keinen Grund, warum wir uns im Sozialhilfeniveau nicht am Bundesdurchschnitt orientieren sollen.“ Den Vergleich mit Brandenburg kommentierte Müller auch auf Nachfrage nicht.
In der Senatssitzung, am Dienstag dieser Woche, war Müller die Sozialsenatorin scharf angegangen. Knake-Werner hatte in zwei Interviews weiteren Sozialkürzungen eine Absage erteilt und den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kritisiert. Dies stünde eine Senatorin nicht zu, meinte Müller.
Eine politische Diskussion über eine deutliche Senkung der Sozialausgaben hat es in der SPD-Fraktion noch nicht gegeben. Dabei hatte sich die Fraktion vor Wochenfrist extra die zuständige Senatorin eingeladen. Bei dem mehrstündigen Gespräch ging es um einzelne Posten des Sozialetats. Schon jetzt ist absehbar: Kürzungen wird es beim Bekleidungsgeld und bei der Sozialkarte für die BVG geben. Eine weiter gehende Debatte, wie mit dem Sozialbereich umgegangen werde, könne es noch im Herbst bei den parlamentarischen Beratungen des Haushaltes geben, so Müller: „Es gibt aber eine Grundstimmung in unserer Fraktion, die meint, es kann auch zu Einschnitten bei den Sozialleistungen kommen.“