: Eisbären zittern die Pfoten
Die Frankfurt Lions können heute Abend mit einem weiteren Sieg gegen die Eisbären deutscher Eishockeymeister werden, doch die Berliner hoffen, dass ihr Play-off-Glück noch nicht aufgebraucht ist
AUS BERLIN DANIEL GOLDSTEIN
Die Fans der Eisbären waren geschockt. Einige verweilten noch minutenlang in ihrem Block, andere setzten sich mit geröteten Augen auf die Treppen. Im Berliner Wellblechpalast spielten sich Szenen ab, als wäre der Berliner Eishockeyclub gerade aus der Bundesliga abgestiegen. Dabei hatte der EHC Eisbären gegen die Frankfurt Lions lediglich die zweite Niederlage im Meisterschaftsfinale der Deutschen Eishockey Liga (DEL) kassiert, weshalb er zum heutigen vierten Spiel der „Best of five“-Serie mit einem 1:2-Rückstand ins Hessische reisen muss. Die Art und Weise, wie die Niederlage zustande gekommen war, erklärte den Schockzustand der Anhänger hingegen ein wenig.
Mit 2:0 und 3:2 hatten die Eisbären bereits geführt, im letzten Drittel die Frankfurt Lions förmlich an die Wand gespielt. Dann nutzten die Gäste eine Überzahlsituation zum überraschenden Ausgleich – und obwohl die Berliner noch ein halbes Dutzend hochkarätiger Möglichkeiten besaßen, gelang es ihnen nicht, den überragenden Löwen-Goalie Ian Gordon zu überwinden. Zur Entscheidung zugunsten der Frankfurter kam es schließlich in der Verlängerung: Etwa die Hälfte der Overtime war gespielt, als der Puck hoch in die Luft flog, vom Rücken des Berliner Verteidigers Rob Leask über die Torlinie prallte und die Eisbären der „sudden death“ ereilte. Aber bedeutete der plötzliche Tod im dritten Finalspiel auch schon das Ende aller Berliner Meisterschaftsträume?
Im Lager der Eisbären machte man sich umgehend daran, nach den Ursachen zu forschen. Chefcoach Pierre Pagé erkannte: „Nach dem 2:0 im zweiten Drittel haben wir nicht geduldig genug weitergespielt.“ Und Co-Trainer Hartmut Nickel pflichtete ihm bei: „Wenn du 2:0 führst, darfst du einfach nicht weiter blind nach vorne stürmen. Da musst du gut im Mitteldrittel stehen und immer wieder die Angriffe des Gegners abfangen.“ Nickel gehörte zu den besonders getroffenen Berlinern. Seit 30 Jahren ist er schon Trainer im Sportforum in Berlin-Hohenschönhausen, schon beim Gewinn des DDR-Meistertitels 1988 stand er für den Eisbären-Vorgängerverein SC Dynamo Berlin als Assistent an der Bande. Kaum einer wünscht sich den Titel für den Club, die Zuschauer und die Mannschaft mehr als Hartmut Nickel.
Den Eisbären fehlte aber nicht nur Geduld an diesem Tag, sondern auch das Glück. Schon meinen einige Eisbären, man hätte das in den Play-offs zu Verfügung stehende Glück bereits in den zwei engen Viertelfinal-Spielen gegen die DEG Metro Stars aufgebraucht. Andere wiederum denken, dass es irgendwann zurückkommt – wenn man nur hart genug dafür arbeitet.
Ungeachtet der Tatsache, dass die Frankfurt Lions sich vor dem heutigen Match allseits bemühten, die Eisbären weiterhin in die Favoritenrolle zu reden, hat sich indes auch im Hessischen der Druck erhöht. Das erkennt man schon daran, dass die Lions angeblich 50.000 Eintrittskarten für die heutige Partie hätten verkaufen können. Lediglich 7.000 Zuschauer können aber nur dabei sein, unter ihnen rund 500 Eisbären-Anhänger.
Das Umfeld der Nordostberliner schwankte in den letzten Tagen zwischen Hoffen und Bangen, die Mannschaft jedoch blieb ruhig. „Es ist ja nicht so, als ob wir kurz vor Schluss in einem Spiel mit 1:2 zurückliegen würden“, erklärt der schwedische Mannschaftskapitän Ricard Persson. „Wir müssen auf unsere Stärken vertrauen. Es sind noch 60 Minuten und wir müssen nur mit einem Tor Unterschied gewinnen“, macht er sich und den Seinen Hoffnung. Auch Trainer Pierre Pagé ist zuversichtlich und spricht von „positiven Bildern“. Die Statistiken sprechen allerdings gegen die Berliner: Noch nie gewannen sie eine Play-off-Serie nach einem Rückstand, und noch nie standen sie in einem entscheidenden fünften Spiel.
Immerhin: Nachdem der erste Schock bei den Eisbärenfans überwunden war, traten einige gleich wieder in Aktion. Mit einem großen leeren Bierbecher gingen sie sammeln. Das eingenommene Geld wollten sie allerdings nicht dazu benutzen, ihre Busfahrt nach Frankfurt zu finanzieren. Vielmehr sammelten se Glücks-Cent-Stücke, um sie der Mannschaft mit auf den Weg zu geben. Einige hundert kamen zusammen. Ob die heute Abend wohl ausreichen?