: Der „Streit um drei“ ist aus und vorbei
Die ZDF-Mutter aller Gerichtsshows ist ihren Epigonen zum Opfer gefallen. Heute läuft die letzte Sendung
BERLIN taz ■ Sie wurde von den eigenen Kindern gefressen. Dieses übertrieben drastische Urteil ist ausnahmsweise legitim. Schließlich übertreiben die Kinder selbst ständig und dramatisieren und sind sich für kein noch so billiges Klischee zu schade: die Saleschs, Holds, Familien-, Jugend- und Strafgerichte auf Sat.1 und RTL.
Und nun wird die ehemals einzig seriöse Gerichtsshow und Mutter aller anderen, „Streit um drei“, eingestellt. Die letzte Folge läuft heute um 15.10 Uhr. Es ist eine Wiederholung vom März 2002. Damals ahnte noch niemand, was einige Monate später geschehen sollte. Seit 1999 lief die Sendung erfolgreich im Nachmittagsprogramm des ZDF. Bis RTL im Oktober seine Gerichte auf den Sender schickte. Die Quote von „Streit um drei“ sank von 14 auf 10 Prozent. Waren insgesamt fünf private Konkurrenten zu viel für die ZDF-Sendung, haben sie ihr den Garaus gemacht? Einiges spricht dafür.
Rettungsversuche der Redaktion mussten scheitern. Ab Februar 2003 ging es bei „Streit um drei“ plötzlich nicht mehr um humorvolle Alltagskonflikte. Dafür wurde sie hanebüchen. Da wurde der Fernsehzuschauer Zeuge, wie es plötzlich doch nicht Henning war, der Katharina das Heroin gespritzt hatte – obwohl alles dafür sprach. Es war Katharinas Freund Marvin. Er handelte aus Eifersucht und ließ es so aussehen, als wäre Henning der Täter. Wäre da nicht das Sender-Logo in der Bildschirmecke gewesen, man hätte sich auf RTL oder Sat.1 gewähnt. Warum also eine Kopie kucken, wenn es zwei, drei Tastendrücke weiter das Original gibt?
Aber Moment. „Streit um drei“ war ja das Original. Ursprünglich. Bis also hin und dann wieder her kopiert wurde. Nur, wenn man etwas zu oft kopiert, wird das Ergebnis unklar – vor allem, wenn man den Kontrast verringert. Zu wenig Krawall, zu wenig Sex. Der Bildungsauftrag verbietet es. Armes ZDF.
Doch hier ergibt sich eine unerwartete Wendung! Das ZDF ist schuld. Der Bildungsauftrag tat der Sendung gut, sie war nicht tumb, sondern amüsant, und man konnte was lernen. Das hat beim ZDF Tradition. Hier gab es „Ehen vor Gericht“ und „Wie würden Sie entscheiden?“ – Service für den Zuschauer, ähnlich wie „Streit um drei“ vor dem Relaunch.
Doch was nützt eine humorvolle Service-Gerichtsshow, wenn niemand weiß, dass es dort ganz anders zugeht als bei ihrer Brut auf den Fremdsendern. Das ZDF hat es nicht geschafft, die Stärken der Sendung zu kommunizieren, würde man wohl im PR-Deutsch sagen. Die Privaten haben also nur das Messer gehalten. Gestoßen hat das ZDF. Eine theoretische Erkenntnis – und es deutet sich schon an, dass sie ohne praktische Folgen bleibt: Demnächst sucht das ZDF „Die deutsche Stimme 2003“, ganz nach dem profitablen Vorbild der RTL-„Superstars“.
Alle Kredite verspielt
Dabei gab es mal die Chance, dass von „Streit um drei“ tatsächlich etwas bleibt. Denn die Sendung hat bei den Zuschauern das Interesse dafür geweckt, wie Recht funktioniert. Da freute sich sogar der Richterbund – bis er sah, was die Privaten aus der Idee machten. Und weil sie zu viele sind und „Streit um drei“ versuchen musste, so ähnlich zu sein, war wohl alles umsonst.
Jetzt bleiben nur noch die Saleschs und – Drama! – untergraben das Vertrauen in den Rechtsstaat.
Dabei säße die Frau Richterin ohne „Streit um drei“ wohl noch immer in ihrem staubigen Amtszimmer mit dem Fußbodenbelag aus grau meliertem Linoleum, vor billigen Behördenholzregalen und abgenutzten Leitz-Ordnern. Das ist der Alltag, und der ist nicht mal amüsant.
HEIKO DILK