: „Wir haben einfach zu viel Milch“
Der Handel trägt keine Schuld an den Dumpingpreisen bei der Milch, sagt Edeka-Manager Alain Wittner. Die Gewinnspanne sei gering. Das Problem seien die Verbraucher, die nur billig kaufen wollten. Und die Bauern, die zu viel produzierten
INTERVIEW HANNA GERSMANN
taz: Bundesweit protestieren Bauern derzeit gegen die Milchpreise, die schon unter den Produktionskosten liegen. Der Handel zwinge den Molkereien dieses Dumping auf, empören sie sich. Haben sie Recht?
Alain Wittner: Der Handel ist der falsche Adressat für die Vorwürfe. Denn der Preis wird auf dem Markt durch Angebot und Nachfrage bestimmt.
Die deutschen Bauern klagen also zu Unrecht?
Nein, aber die Verantwortung liegt nicht bei uns. Die Bauern sind genossenschaftlich in den Molkereien organisiert. Und diese machen die Preise. Deshalb liegt auch das Spannungsfeld nicht zwischen uns und den Landwirten, sondern zwischen ihnen und den Molkereien.
Das eigentliche Problem ist aber ohnehin ein anderes: Wir haben zu viel Milch. Theoretisch könnte sie überall als Milchpulver oder als Butter angeboten werden.
Praktisch geht das nicht?
Die Europäer haben auf dem Weltmarkt doch keine Chance. Die anderen Länder produzieren viel billiger. Also suchen die deutschen Erzeuger in ihrer Heimat Kunden, die ihnen das Produkt abnehmen. Zum Beispiel die gut tranportierbare H-Milch, die mittlerweile mehr als 50 Prozent am Milchmarkt ausmacht. So bietet ein Erzeuger aus dem Norden seine Milch schon mal viel billiger in München an.
Die Bauern sagen, es geht nicht billiger, ihre Existenz stehe auf dem Spiel.
Das stimmt. Die Preise sind völlig unbefriedigend. Dagegen kann ich nichts sagen.
Aber vielleicht könnten Sie etwas tun. Im Laden kostet der Liter 50 Cent, bei den Bauern kommt nur die Hälfte an. Welchen Spielraum hat der Handel?
Keinen. Auch der Handel hat Kosten, etwa durch Lagerung und Transport. Im Schnitt verdienen wir gerade ein Prozent an Lebensmitteln. Der deutsche Markt steht unter einem wahnsinnigen Preisdruck, der in Europa einzigartig ist. Nirgends haben die Discounter solche enormen Marktanteile – knapp 40 Prozent. Und in den vergangenen Jahren haben nie wir die Preise als Erste gesenkt.
Die Discounter bringen Sie in die Bredouille? Unter den Bauern hat Edeka keinen besseren Ruf als Aldi oder Lidl, Ihr Unternehmen soll einen harten Verhandlungskurs fahren.
Selbstverständlich gibt es eine Wettbewerbssituation. Bewegt sich der gesamte Handel mit dem Preis nach oben oder nach unten, Edeka macht mit. Wir werden nicht teurer, und wir werden nicht günstiger sein.
Die Kunden wären sicher bereit, zwei Cent mehr zu zahlen. Warum lässt sich die Preisspirale nach unten nicht durchbrechen?
Das wäre schön, aber das Gros der Verbraucher ist eben nicht bereit, mehr zu zahlen. Sie kaufen die Milch nicht, um den Bauern zu stützen. Sie kaufen schlichtweg günstig!
Aber es wird doch alles teurer, nur Lebensmittel nicht. Woran liegt das?
Es gibt kaum eine Branche in Deutschland, in der der Wettbewerb so scharf ist wie im Einzelhandel. Die Preise für Lebensmittel sind in Deutschland mit Abstand die niedrigsten in Westeuropa. In Frankreich kosten Nahrungsmittel 10 Prozent, in Großbritannien 24 Prozent und in der Schweiz 32 Prozent mehr als bei uns. Für den Handel bedeutet dies im Umkehrschluss aber auch: Nirgendwo anders wird so wenig Geld verdient. Und der Markt wird noch enger werden. Allein durch die Öffnung nach Osteuropa werden die Milchmengen größer, die Preise niedriger. Allerdings entscheiden letztlich die Kunden, welche Preispolitik sie fördern.
Welchen Preis für den Liter Milch halten Sie denn für den richtigen?
Der, der uns angeboten wird.