Angst vor Blähungen beim roten Riesen

Chinas Volkswirtschaft holt auf und gewinnt weltweit an Einfluss. Das rasante Wachstum überrascht sogar die Experten

BERLIN/PEKING taz/afp ■ Chinas Wirtschaft wächst stärker als erwartet und weckt damit die Angst vor Spekulationsblasen und Inflation. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erhöhte sich durch steigende Investitionen und eine starke Inlandsnachfrage im ersten Quartal um 9,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das gab das nationale Statistikamt gestern bekannt. Die Regierung hatte für dieses Jahr ein Ziel von 7 Prozent vorgegeben. Ungebremste und unkontrollierte Investitionen etwa in der Baubranche seien ein „Problem“, sagte ein Behördensprecher. Der Druck auf die Preise werde damit erhöht.

Im ersten Quartal lag die Inflationsrate bei 2,8 Prozent. Die Preissteigerung blieb damit noch unter der von der Regierung gesetzten Grenze von 3 Prozent. Die Gefahr einer „Überhitzung“ der chinesischen Wirtschaft sei aber gewachsen, erklärte der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington in einer aktuellen Studie. Investitionen und Kredite gerieten offenbar langsam außer Kontrolle.

Auch Analysten warnten vor einem „Platzen der Blase“. Dies sei „nur eine Frage der Zeit“, sagte Andy Xie vom Investmenthaus Morgan Stanley in Hongkong. „Wenn die Regierung nichts tut, wächst die Blase.“

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) reagiert hingegen gelassen auf die aktuellen Zahlen aus dem Reich der Mitte. „Ich glaube nicht, dass in China eine Spekulationsblase entsteht“, sagte Detlef Böhle, Referent für Asien und Pazifik, der taz. Die chinesische Wirtschaft schaffe konkrete Werte. Daher sei auch nicht mit direkten Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft zu rechnen. Lediglich die gestiegenen Preise für Rohstoffe und in der Halbleiterproduktion würden die deutschen Firmen beeinflussen.

Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass die chinesische Regierung bereits im ersten Quartal des Jahres das Wachstum auf die für das Gesamtjahr angestrebte Quote drosseln könne, sagte Böhle. Wichtig sei aber, dass Peking das Problem der Überhitzung erkannt und Maßnahmen angekündigt habe. Auch in China hänge die wirtschaftliche Entwicklung „zu 50 Prozent von der Psychologie“ ab.

Die Regierung hat unter anderem die Reserveanforderungen an die Geschäftsbanken von 7 auf 7,5 Prozent erhöht. Damit will sie die Geldmenge im Bankenkreislauf um 12 Milliarden Euro senken. Zudem erwartet Böhle, dass der Bau von Infrastrukturprojekten verlangsamt und die Währung Yuan, die seit 1997 quasi an den US-Dollar gekoppelt ist, schrittweise aufgewertet wird. Auch der IWF meint, dass ein flexibler Wechselkurs für die chinesische Währung den Druck auf die Preise möglicherweise nehmen könnte.

Im ersten Quartal 2003 hatte das BIP-Wachstum bei 9,9 Prozent gelegen, im Gesamtjahr 2003 bei 9,1 Prozent. Weil diese Wachstumsraten auf Dauer nicht zu halten sind, hatte die Regierung für dieses Jahr ein Ziel von 7 Prozent vorgegeben. Der IWF rechnet jedoch damit, dass China mit einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 7,6 Prozent auch in den kommenden zwanzig Jahren eines der wachstumsstärksten Länder weltweit sein wird.

STEPHAN KOSCH