: Gerechtere Riesterrente noch nicht gesichert
SPD will gleiche Tarife für Frauen und Männer bei Riesterrente – im Prinzip. Kanzleramt und Finanzpolitiker dagegen: Männer würden vom „Riestern“ abgeschreckt, wenn sie so viel wie Frauen einzahlen sollen. Zahlen gibt’s dazu nicht
BERLIN taz ■ Die Einführung von gleichen Tarifen für Frauen und Männer bei der Riesterrente hängt immer noch an einem seidenen Faden. Zwar gibt es gewichtige Stimmen, die für diese Tarife sprechen, die für Frauen etwas billiger würden als heute. Aber der Entscheidungsträger, auf den es im Moment ankommt, ist noch nicht gewonnen: die SPD-Fraktion im Bundestag.
Schon kurz nach der Bundestagswahl hatten Frauen- und Sozialministerium vereinbart, dass der Staat nur solche Rentenversicherungen über die Riester-Regelung fördern solle, die keine Geschlechterdiskriminierung beinhalten. Wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung sollten also gleiche Tarife für Männer und Frauen gelten.
Private Rentenversicherer dagegen verordnen Frauen um bis zu 15 Prozent höhere Tarife, weil sie im Durchschnitt länger leben. Das allerdings stellt eine Diskriminierung dar, weil hier ein Geschlecht pauschal benachteiligt wird. Schließlich lebt eine hart schuftende Arbeiterin unter Umständen nicht so lang wie ein Akademiker mit ruhigem Job. Dennoch zahlt sie mehr.
Diese Diskriminierung dürfe der Staat sich laut Grundgesetz nicht zu Eigen machen, meinten die Ministerinnen und erwogen den „Unisex-Tarif“ für Männer und Frauen. Wie bei der gesetzlichen Rente oder der Pflegeversicherung würden dann beide gleich viel einzahlen. Im Vergleich zu heute würde der Tarif für Männer etwas teurer und für Frauen etwas billiger. Diese Unisex-Tarife sollen nun in die Kriterien für die Förderung einer Riester-Rente aufgenommen werden, weil das „Alterseinkünftegesetz“ ohnehin geändert wird. Ende April steht diese Änderung auf der Tagesordnung des Bundestags, am 27. muss sich die SPD in der Fraktionssitzung eine Meinung bilden.
Das sollte ihr eigentlich leicht fallen, meinen SPD-Frauenpolitikerinnen. Schließlich haben sowohl der SPD-Parteitag als auch der Fraktionsvorstand bereits beschlossen, dass der Unisex-Tarif kommen müsse. Auch der Koalitionspartner, die Grünen-Fraktion, hat einen entsprechenden Beschluss gefasst. Doch die Gegner sind gewichtig: Das Kanzleramt ist ebenso wie das Finanzministerium strikt gegen diese Tarife. Die SPD-Frauenministerin Renate Schmidt hat deshalb bereits einen Rückzieher gemacht und streitet nicht mehr für Unisex-Tarife – obwohl ein breites Bündnis inklusive Alice Schwarzer mit einer Kampagne Dampf macht (www.tagderabrechnung.de).
Nun protestieren, im Schlepptau des Finanzministeriums, auch die Finanzpolitiker der SPD. Die ohnehin kaum akzeptierte Riesterrente würde teurer für alle, so warnen sie. Die Förderzulage des Staates würde nun durch den steigenden Tarif der Männer aufgefressen. Die Männer würden also auf billigere Alternativen ausweichen, so ihre fiktive Rechnung. Die vielen Frauen in der Riester-Versicherung würden dann aber das Durchschnittslebensalter in die Höhe treiben und die Tarife damit auch. Letztlich wird die Riesterrente für alle teurer und damit unattraktiv, rechnet etwa SPD-Fraktionsvize Joachim Poß vor. Diese Argumentation ist auch aus dem Finanzministerium zu hören – und aus der Versicherungswirtschaft. Allerdings ist keine Berechnung bekannt geworden, die belegt, dass der Fördervorteil tatsächlich durch Unisex-Tarife aufgefressen würde. Und damit ist unklar, ob die Flucht der Männer aus der Riesterrente überhaupt stattfände.
„Da wird der Untergang des Abendlandes beschworen, weil Männer genauso viel zahlen sollen wie Frauen“, amüsiert sich die SPD-Frauenpolitikerin Christel Humme und wagt die Prognose, dass die Riesterrente an den Unisex-Tarifen nicht zugrunde gehen werde. Schweden habe problemlos Unisex-Tarife bei der Privatvorsorge eingeführt. Zudem würde die Riesterrente für Frauen erstmals billiger und damit attraktiv, brächte also potenziell eine Menge neuer Kundinnen. „Die Argumentation der Wirtschaft ist wirklich schief“, meint auch die Grünen-Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk. Der wichtigste Punkt der Frauenpolitikerinnen aber bleibt das Grundgesetz: „Der Staat darf mit seinen Steuergeldern keine diskriminierenden Tarife fördern“, moniert Schewe-Gerigk. Dieses Argument hat die Opposition überzeugt: Der Bundesrat hat die Regierung einstimmig aufgefordert, Unisex-Tarife in die Riesterrente einzuführen.
HEIDE OESTREICH
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