: Schnittchen und Bier: James im Glück
James Last hatte mal den Vornamen „Hans“ und wuchs in Bremen-Sebaldsbrück auf. Am heutigen Samstag wird der Easy Listening-Weltstar 75
Am Ende hat die 200 Watt Verstärkerleistung kapituliert. Der Kopf der größten Pop-Band aller Zeiten zog verbittert Bilanz: „Unsere Konzerte waren sinnlose Rituale geworden“, entgegnete John Lennon seinerzeit auf die Frage, warum die Beatles Mitte der Sechziger aufgehört hatten, live zu spielen. Die letzten Auftritte der Band waren im infernalischen Kreischen der Fans vollkommen untergegangen: Das Publikum hatte sich aus seiner rein konsumierenden Passivität befreit und selbst in die Gestaltung der Konzerte eingegriffen. Nach neuerer Lesart war das die eigentliche Geburtsstunde des Phänomens „Pop“.
Während sich die Beatles in die schalltoten Räume der Londoner Abbey Road Studios zurückzogen, um sich in aller Stille ihrer Musik zu widmen, machte sich zur selben Zeit ein Schlager-Arrangeur in Hamburg gerade den Sound der Fans zunutze, um seine erste Platte einzuspielen.
1965 mietete der 36-jährige Hans Last für die Aufnahmen zu „Non Stop Dancing“ einen Festsaal, organisierte Schnittchen und Kaltgetränke und lud eine Horde tanzfreudiger Frohnaturen ein. Das musikalische Programm für die Aufnahme: ein Endlos-Potpourri aus aktuellen Hits.
„Ob wir nun losgehen wie die Feuerwehr oder mal ein bisschen melancholisch sind – es muss Atmosphäre haben“, so der Bandleader. Das Gejohle und Geklatsche der feiernden Menge und der durchgehende, tanzbare Beat waren etwas Neues und machten „Non Stop Dancing“ zu einem enormen Erfolg.
„Das flutschte dann“ – mit seinem neuen Künstlernamen „James“ auch auf internationalem Parkett. Dass ihn die Plattenfirma Polydor ohne sein Wissen so getauft hat, hat ihn nie gestört. Last ist Pragmatiker: Wenn es dem Erfolg dient, für den er jahrelang beharrlich gearbeitet hat, hat er kein Problem damit.
1948 leitete der 19-jährige Bassist aus Bremen-Sebaldsbrück das Becker-Last-Ensemble von Radio Bremen. Mitte der Fünfziger wechselte er nach Hamburg. Dort knüpfte er Kontakte zur Musikindustrie und arrangierte bald Schlager für Freddy Quinn und Caterina Valente.
Last überzeugte eher durch handwerkliches Können und Ausdauer als durch Initiative und Risikobereitschaft. Bevor er es gewagt hatte, sich mit dem „Non Stop Dancing“-Konzept selbst ins Rampenlicht zu stellen, war er mit der Idee schon etliche Jahre schwanger gegangen. Auch den Job bei Radio Bremen hatte er ohne Vorpreschen bekommen. Zwar brachte er die idealen Voraussetzungen mit – klassische Ausbildung an der Heeresmusikschule Bückeburg und Begeisterung für Swing –, aber: „Ich hätte ja gar nicht die Traute gehabt. Die kamen auf mich zu.“
75 Millionen Tonträger hat Last bisher verkauft. Von der Musikindustrie bekam er 206 Goldene und 17 Platin-Schallplatten, von Bundespräsident Scheel das Bundesverdienstkreuz am Band. Die frühere Schüchternheit ist einer optimistischen Gemütsruhe gewichen: „Irgendwie hat der liebe Gott da seine Hand draufgehalten“, glaubt er.
Was Last zu sagen hat, sagt er am liebsten durch seine Musik. Andere Interessen hat er auch nicht, abgesehen vom Golfen. Egal, ob am Strand in seiner Wahlheimat Florida oder in seinem Haus in Travemünde: Fast immer hat er einen Laptop mit Musiksoftware bei sich und brütet über neuen Arrangements. Ist ein Album fertig oder eine Tournee absolviert, hat er schon wieder das nächste Projekt im Kopf.
Solange es Neues zu entdecken gibt, wird er weiter machen. Die Auseinandersetzung mit aktueller Musik hält „jung und frisch“, weiß Last. „Viele Musiker aus meiner Zeit als Jazzer jaulten damals: ,Dieser Scheiß-Rock’n’Roll, das ist doch albernes Zeug.‘ Und das sind alles alte Leute geworden, weil sie immer noch denselben Käse spielen von früher.“ Last hört Metallica und Fettes Brot und geht auf Konzerte von Britney Spears: „Man kann von allen was lernen.“ Auf seiner neuen CD singen unter anderem Herbert Grönemeyer und Pavarotti: „Diese jungen Leute sind so intensiv bei ihren Sachen bei, das ist toll.“ Selbst Songs von Rockrebellen wie The Who verleibt er seinem Wohlklang-Kosmos ein. Dabei ist ihm das Subversive, Aufbegehrende in dieser Musik nicht fremd: „Wir waren ja auch Bürgerschrecke damals, als Jazzer.“
Mittlerweile gilt Last, der am heutigen Samstag 75 wird, als „Gentleman of Music“ oder „König des Easy Listening“: James Last, der personifizierte musikalische Konsens. Ihn versteht man in Sebaldsbrück genauso gut wie in China.
„Manche sagen: Was Hansi Last macht, ist simpel“, rechtfertigt er sich. „Aber ich bin eben simpel. Ich bin so.“ Und ist zufrieden damit.
Till Stoppenhagen