: Wenn zwei sich streiten
Ob Scheidungsverfahren, Nachbarschaftsstreitigkeiten oder Wirtschaftskonflikte: Mediatoren können im Streitfall langwierige und teure Gerichtsverfahren oft ersetzen. Voraussetzung ist der gute Wille
Von Marco Carini
Konflikte mit dem Nachbarn? Hauen und Stechen um Sorgerecht und Unterhalt für die gemeinsamen Kinder nach der Trennung? Probleme mit dem Mitgeschäftsführer in der Firma, der das Unternehmen in eine ganz andere Richtung steuern will? Wenn zwei sich streiten und aus eigener Kraft keinen gemeinsamen Nenner finden, bleibt oft nur der Weg vor den Richter. Das heißt: langwierige Verfahren, hohe Prozesskosten und am Ende ein Urteil, das oft keinen Gewinner, meist aber einen Verlierer kennt. Die Beziehung der Streitparteien ist danach nicht selten endgültig zerstört.
Das muss nicht sein – jedenfalls nicht in jedem Fall. Als Alternative zur Anrufung des Gerichts etabliert sich in vielen Konfliktbereichen zunehmend die Mediation (siehe Kasten). Lars Flindt, Mediator des „Instituts für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation (IKM)“ weiß von zahlreichen Vorzügen zu berichten: „Hier suchen die Streitparteien mit Hilfe des Mediators zusammen konsensorientierte und zukunftsfähige Problemlösungen, statt sich in Vergangenheitsbewältigung und der Suche nach dem Schuldigen zu ergehen. Da sie ihren Konflikt selber und gemeinsam lösen, können sie nach der Mediation in aller Regel entspannter miteinander umgehen. Statt Siegern und Verlierern gibt es oft ‚win-win‘-Vereinbarungen; Lösungen also, von denen beide Parteien profitieren.“ Im Gegensatz zur gerichtlichen Auseinandersetzung bedeutet Mediation zudem keine langen Wartefristen, keine Bindung an formelle Prozessanträge und – da das Verfahren hinter verschlossenen Türen stattfindet – ein Höchstmaß an Vertraulichkeit.
Mediation – die Wunderwaffe im Streitfall? Als Hauptproblem bezeichnet Lars Flindt, dass es oft überhaupt nicht zur Mediation kommt. Entweder ist den Konfliktparteien unbekannt, dass es diese Möglichkeit der Streitvermittlung gibt, oder aber einer der beiden Streithähne lässt sich darauf nicht ein – schon deshalb, weil der Vorschlag von der verhassten Gegenseite kam. Mediation aber setzt die Bereitschaft beider Seiten voraus, konstruktiv nach Lösungen zu suchen. Eine weitere Grenze: Wenn im Konflikt geltendes Recht verletzt wurde, kann der Mediator nichts mehr tun – der Weg vor den Richter ist dann unvermeidlich.
In anderen Konflikten aber kann die Mediation Probleme lösen. Ein neues Projekt des IKM soll jetzt helfen, Nachbarschaftskonflikte in St. Georg auszuräumen. Egal ob es um Streitigkeiten zwischen Hundebesitzern und Spielplatznutzern oder musikliebende und geräuschempfindliche Wohnungsnachbarn geht – eine Gruppe ehrenamtlich tätiger Mediatoren bietet im Projekt „Streithaus“ den Bewohnern des Quartiers gegen eine kleine Spende ihre Dienste an. Ein „Streitraum“ in der Heinrich-Wolgast-Schule steht als Vermittlungsort zur Verfügung – Kontakte zu den Mediatoren können wochentags von 16 bis 18 Uhr unter der Rufnummer 28 00 68 51 aufgenommen werden.
Hilfe bei geschäftlichen Streitigkeiten bietet die Hamburger Mediationsstelle für Wirtschaftskonflikte an. Sie wurde vor vier Jahren von der Hamburger Handelskammer gemeinsam mit der hanseatischen Rechtsanwaltskammer und dem Hamburger Institut für Mediation gegründet. Die Mediationstelle vermittelt qualifizierte Mediatoren für jeden Bereich: Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern einer Firma stehen ebenso auf der Tagesordnung wie Probleme der innerbetrieblichen Nachfolgeregelung oder Konflikte zwischen zwei Unternehmen. Die Stundensätze der Mediatoren schwanken dabei, je nach Streitwert, zwischen 127 und 205 Euro.
Rund zehn Konflikte pro Jahr werden von der Mediationsstelle beackert und zwei von dreien dabei einvernehmlich gelöst. „Wir haben zehnmal so viel Anfragen“, verrät Christian Graf von der Handelskammer: „Doch meist ist das Kind schon so tief im Brunnen, dass die Gegenseite sich einer gemeinsamen Lösungssuche verweigert.“ Dabei ist gerade für Unternehmen die Vertraulichkeit der Konfliktregelung wichtig. Christian Graf: „Wenn im öffentlichen Gerichtsverfahren schmutzige Unternehmenswäsche unter den Augen der Konkurrenz gewaschen wird, verlieren beide Streitparteien.“ Zumindest ihren guten Ruf.