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Archiv-Artikel

Hiobsbotschaften von der Wachstumsfront

Als erstes Forschungsinstitut prognostiziert das Kieler IfW null Prozent für 2003. Weiteres Defizit für Rot-Grün

BERLIN taz ■ Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (IfW) hat den für die Bundesregierung schlechten Nachrichten gestern eine weitere hinzugefügt. Insgesamt werde die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr stagnieren. Das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) beträgt der Prognose zufolge Null.

Das Kieler IfW ist damit pessimistischer als die anderen Institute, die in ihrer gemeinsamen Prognose bislang von 0,5 Prozent BIP-Wachstum ausgehen. Die Bundesregierung nimmt immer noch 0,75 Prozent an. Verantwortlich machen die Kieler Experten eine Mischung aus schlechten Randbedingungen, die von den Folgen des Irakkriegs über die Lungenkrankheit Sars bis zur Kaufzurückhaltung der Konsumenten reichen.

Sollte diese Prognose für das Jahr 2003 eintreffen, hätte die rot-grüne Bundesregierung mit noch größeren Finanzproblemen zu kämpfen, als sie ohnehin schon bestehen. Gegenüber der Wachstumsannahme des Bundesfinanzministeriums ergäbe sich ein zusätzliches Defizit im Bundeshaushalt von zwei bis drei Milliarden Euro. Finanzminister Hans Eichel (SPD) müsste dann nicht nur einen Fehlbetrag von bis zu 18 Milliarden Euro decken, sondern über 20 Milliarden beschaffen. Das Finanzloch würde sich damit der Zehn-Prozent-Marke nähern. Insgesamt umfasst der Bundeshaushalt knapp 250 Milliarden Euro.

Für den Arbeitsmarkt verheißt die Prognose ebenfalls nichts Gutes. Während die Arbeitslosenquote dieses Jahr auf durchschnittlich 10,9 Prozent und 2004 auf 11,3 Prozent steige, nehme die Zahl der Erwerbstätigen weiter ab. Im Jahr 2001 arbeiteten noch knapp 39 Millionen Menschen, nur 38 Millionen werden es 2004 sein.

Das Risiko einer Deflation mit massiv sinkenden Preisen und zugleich sinkender Nachfrage halten die Kieler Forscher dagegen für gering. Zwar habe sich die Lebenshaltung im April und Mai saisonbereinigt um jeweils 0,2 Prozent verbilligt, doch sei dieser Effekt vor allem auf den Rückgang des Ölpreises zurückzuführen. Im Jahresdurchschnitt erwartet das IfW eine Inflationsrate von 1,0 Prozent.

In 2004 soll das Wachstum aber wieder anziehen, schätzt das IfW. Die Forscher rechnen mit einem BIP-Zuwachs von 1,8 Prozent, während die Bundesregierung zur Zeit noch zwei Prozent annimmt. Im kommenden Jahr werde die Weltwirtschaft einen Aufschwung erleben, an dem auch Deutschland teilhabe. Die Hälfte des geschätzten Zuwaches von 1,8 Prozent hat allerdings laut Prognose nichts mit einer besseren Konjunktur zu tun. Die Ökonomen erläutern, dass im kommenden Jahr schlicht die Zahl der Arbeitstage größer sei als 2003 und somit mehr produziert werden könne. Weil die Produktivität aber stärker zunehme als das BIP, werde der Aufschwung nicht mehr Jobs bringen. HANNES KOCH