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Archiv-Artikel

Gute Chance für Fischlers Agrarreform

Brüssel will ändern, dass Bauern, die viel produzieren, die fetten Subventionen kriegen. Das EU-Parlament auch

BRÜSSEL taz ■ Das Europäische Parlament hat EU-Kommissar Franz Fischler den Rücken für seine Agrarreform gestärkt. Mit großer Mehrheit verabschiedeten die Abgeordneten gestern in Straßburg einen Text, der sich für die Förderung von Qualitätsprodukten, Umweltleistungen und Arbeitsplätzen im ländlichen Raum ausspricht. Das stützt Fischler, der die Fördersummen von der Produktionsmenge trennen will. Für schwierige Standorte oder spezielle Produktionsweisen sollen allerdings zusätzliche Subventionen gezahlt werden.

Das Votum gilt als Signal für die entscheidende Abstimmung nächste Woche im Agrarministerrat. In Landwirtschaftsfragen wird nur eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsländer gebraucht, das Europaparlament entscheidet bislang nicht mit. Da aber mehrere Regierungen – darunter Deutschland – den Reformkurs der EU-Kommission unterstützen, erhält der vom Parlament gebilligte Text psychologisches Gewicht.

Während Franz Fischler den Agrarsektor vor allem an die Spielregeln der Welthandelsorganisation anpassen will, geht es den Abgeordneten darum, dass die Bauern ihrer jeweiligen Herkunftsländer bei der Reform nicht zu kurz kommen. Die große Mehrheit ließ sich am Ende von dem Reformkonzept überzeugen, nur die spanischen Abgeordneten stimmten quer durch alle Parteien dagegen. Sie wollen das bisherige System, das Zahlungen aus Brüssel an die produzierte Menge koppelt und dadurch billige Massenproduktion in Agrarfabriken ankurbelt, bis Ende der laufenden Finanzplanungsphase 2006 aufrechterhalten.

Fischler möchte schon jetzt, zur Halbzeit der laufenden Agenda, einen ersten Schritt Richtung Entkoppelung tun. Die Abgeordneten stimmten zu – unter der Bedingung, dass die Position der Bauern gegenüber verarbeitender Industrie und Zwischenhandel so gestärkt wird, dass sie für Qualitätsprodukte auch gute Preise verlangen können. Ferner sollen in Zukunft europäische Waren nicht nur gegen Preisdumping sondern auch gegen Qualitätsdumping geschützt werden.

Hähnchenfabrikant Pohlmann, der seine Massenproduktion aus Deutschland wegen strenger EU-Tierschutz- und -Produktionsbestimmungen nach Brasilien verlegte, soll von dort aus nicht den europäischen Markt zurückerobern können. Das Geld aus derartigen „Qualitätszöllen“ soll in Entwicklungsprojekte fließen.

Das Parlament fordert außerdem, dass die Mittel, die durch diese Reform eingespart werden, auch wieder im ländlichen Raum eingesetzt werden – zum Beispiel für die Förderung qualitätvoller Lebensmittelproduktion. Betriebe, die mehr als 1.000 Euro im Monat von der EU erhalten, müssen sich einem Prüfverfahren unterziehen. Verstoßen sie gegen eine der 38 EU-Verordnungen, nach denen die Lebensmittelproduktion geregelt wird, ist eine betriebliche Beratung fällig. Erst wenn sich ein Bauer als beratungsresistent erweist, sollen die Gelder aus Brüssel gekürzt werden – um mindestens die Hälfte.

DANIELA WEINGÄRTNER