: riskant: der fotoband „pornoland“
Er möge Mister Monster nicht, schreibt der bekannte britische Schriftsteller Martin Amis in seinem klugen, eleganten Essay, den er zum Bildband „Pornoland“ von Stefano de Luigi beigesteuert hat. Der Fotograf Stefano de Luigi, vor fünf Jahren mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet, mag Mister Monster auch nicht. Leider. Denn der weitgehende Verzicht auf das Motiv des männlichen Pornodarstellers – sowie der restlose Verzicht auf dessen Superding – verkürzt seine Fotoreportage um die entscheidende Dimension: Nirgendwo in seinem Bildband fühlt man sich in Pornoland. Die ästhetisch ambitionierten Farbfotos mit mehr oder minder heißen Miezen erzählen nichts von den Realitäten der Sexindustrie in Los Angeles, Budapest oder Tokio, wo de Luigi fotografiert hat. Und so muss Martin Amis aus der riskanten Welt der Pornofabriken berichten. Er macht das sehr gut. Mit einem Satz. „Pussis sind Bullshit“, lautet er und bedeutet, Vaginalsex wird vom Käufer nicht mehr als echte Leistung betrachtet. Es müssen schon Analsex und rohe Gewalt sein, die ihn zum Kauf reizen. Martin Amis gelingt es sogar, den Leser auf die Spur der wahren Opfer der Pornoindustrie zu führen. Und zwar mit einer rundweg erfundenen Statistik: „Der durchschnittliche Amerikaner verbringt jeden Tag drei Stunden und 51 Minuten damit, Pornofilme anzusehen. Der durchschnittliche amerikanische Mann ohne Eigenheim gibt mehr Geld für Pornos aus als für die Miete. Auf Pornografie entfallen 43,5 Prozent des Bruttosozialprodukts der USA.“ Die echten Zahlen sind nicht besser und besagen genau das Gleiche: Der Depp ist der Pornokonsument. Der Mann, der viel zu viel Geld, konkret Arbeits- und Lebenszeit darangibt, sich sein kleines Vergnügen zu leisten. Denn um die erfundene Statistik weiter zu spinnen: Drei Stunden Pornoschauen heißt für den durchschnittlichen Verdiener, wenigstens drei Stunden dafür zu arbeiten. Das Geld, das er für Pornografie ausgibt, macht seinen Bewegungsspielraum also kleiner – es mindert sein Vermögen, seine Potenz, wo es sie doch bestätigen soll. Nicht verwunderlich, dass es im Porno immer viriler zugehen muss, wie einer der Produzenten die zunehmende Brutalisierung des Sexes nennt. Wo so viel Ohnmacht auf der Konsumentenseite zu finden ist. Wahrscheinlich mag kein einziger Käufer Mister Monster. Wahrscheinlich fürchten sie ihn alle. Aber er muss sein. Ohne ihn wäre die Sache eben nur Bullshit.
BRIGITTE WERNEBURG
Stefano de Luigi: „Pornoland. Im Hollywood der Lustfabriken“. Mit einem Text v. Martin Amis. Knesebeck, München 2004, 60 Abb., 24,90 €