: Sabine Herre über die Drohung der Region München-Mailand
Fischer sieht Win-win-Situation
Die Region München-Mailand hat mit der Blockade aller EU-Entscheidungen gedroht, sollten die Ostregionen Pannonien und Baltikum nicht bereit sein, mehr Geld in die EU-Kassen zu zahlen. „Wir haben jahrelang für die osteuropäischen Staaten gezahlt, jetzt muss endlich auch mal Geld aus dem Osten in den Westen fließen“, erklärte Regionspräsident Giovanni Moser (Lega Nord) in Mailand. Zuletzt hatte sich die wirtschaftliche Krise der Region zugespitzt, als gleich fünf Nanotech-Unternehmen ihre Firmensitze in die Ukraine verlegt hatten.
Vom Sitz der EU-Kommission auf dem Prager Hradschin war zunächst keine Stellungnahme zu der Drohung der Südregion zu bekommen. Kommissionspräsidentin Ayșe Çiller (Die Laizisten) hält sich zurzeit in London auf, um über einen Referendumstermin für die Einführung des Euro in Großbritannien zu beraten. EU-Ehrenpräsident Joschka Fischer (parteilos) sagte im Prager Czernín-Palais der taz: „Ich habe die Osterweiterung schon 1998 als Win-win-Situation bezeichnet. Jetzt ist die Zeit, zurückzuzahlen.“ Auf die Frage, ob die frühere rot-grüne Bundesregierung mit dem von ihr durchgesetzten 7-jährigen Arbeitsverbot für Osteuropäer nicht selbst zum wirtschaftlichen Niedergang Westeuropas beigetragen habe, wollte sich der Ex-Bundesaußenminister nicht äußern.
Wissenschaftler des Hans-Werner-Sinn-Instituts in München sind jedoch überzeugt, dass die wirtschaftliche Krise des Westens auf fehlende oder zu späte Reformen des Arbeitsmarktes zurückzuführen ist. „Die osteuropäischen Staaten haben mit der Einführung eines durchschnittlichen Steuersatzes von 19 Prozent Investitionen aus dem Westen abgezogen. Die modernsten Laptops wurden plötzlich nicht mehr in Bayern, sondern in Estland produziert.“
Als weiteren Grund für den Niedergang des Westens sehen die Wissenschaftler auch die „Ostverschiebung“ der EU mit ihren nunmehr 38 Mitgliedsstaaten. Regionen wie Benelux-Ruhr, die einst das europäische Zentrum bildeten, fanden sich nach der dritten Osterweiterung 2025, als die Ukraine, Weißrussland und Moldawien aufgenommen wurden, am äußersten Rand wieder. Ihre Rolle übernahm die Region Pannonien (Slowakei, Österreich, Ungarn), die schon bei der ersten Osterweiterung 2004 als das „Goldene Dreieck“ bezeichnet worden war. Auch der transnationale Zusammenschluss besonders prosperierender Regionen im Westen konnte die Abwanderung der Wirtschaft ostwärts nur vorübergehend verhindern.
Wie es in Prag nun weitergeht, ist unklar. Die Region München-Mailand könnte mit ihrem Veto die Entsendung einer EU-Eingreiftruppe nach Kolumbien blockieren. Diese soll dort auf Antrag der Region Mittelmeer den aufgeflammten Drogenkrieg beenden.