: Samstagabend: Shop till you drop?
Aushöhlung des Familientags und Ruin für die kleinen Läden oder Erhöhung der Kundenfreundlichkeit? Die Geschäfte dürfen heute zum ersten Mal samstags bis 20 Uhr öffnen. Dies nutzen vor allem Ketten der Berliner Innenstadt voll aus
Geschäfte in ganz Deutschland haben heute zum ersten Mal die Möglichkeit, an einem gewöhnlichen Samstagabend bis 20 Uhr zu öffnen – der neuen Ladenschlussregelung sei Dank. In Berlin will sich etwa ein Viertel der Geschäfte von Anfang an an der verlängerten Öffnung beteiligen, berichtet Nils Busch-Petersen, Geschäftsführer des Berliner Einzelhandelsverbandes. Er rechne aber damit, dass dem Beispiel dieser rund 3.500 Läden später noch weitere folgen werden, denn die Ladenschlussregelung sei „ein Experimentierfeld, wo Kaufleute und Kunden ausprobieren können, was geht und was nicht geht“.
Vor allem in den stärker frequentierten Einkaufsgegenden im Innenstadtbereich und in den meisten der 50 großen Shoppingcenter der Stadt können die Berliner ihren Wochenendeinkauf verlängern.
Doch auch dort wollen nicht alle Geschäfte den vollen Spielraum bis 20 Uhr nutzen, viele Händler dehnen die Einkaufszeit nur bis 18 Uhr aus. So die Mehrzahl der Läden in der Friedrichstraße, wobei Ausnahmen wie die Galeries Lafayette die Regel bestätigen. Am Alex dagegen haben alle großen Ketten bis 20 Uhr geöffnet. Auf dem Kurfürstendamm geht der Trend eher zu 18 Uhr, das Europa-Center am Tauenzien bleibt bis 20 Uhr geöffnet. Das KaDeWe dagegen wird seine Pforten nur bis 18 Uhr für die Kunden öffnen.
Das sei schon „ein Fortschritt“, meint Busch-Petersen. Besonders ausländische Touristen seien immer wieder entsetzt, wenn sie am Samstagnachmittag in Berlin eintreffen und erleben, dass die Geschäfte gerade dabei sind, ihre Rolläden herunterzulassen.
Anders sieht das die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Nicht nur dass das Wochenende für Familie, Kultur und Freizeit bei der neuen Regelung für die Beschäftigten kaputtgeht, auch arbeitsmarktpolitisch sei die Ausdehung der Ladenöffnungszeiten unsinnig, findet Rüdiger Wolff, zuständig für Tarifkoordination bei Ver.di. Insgesamt führten die verlängerten Öffnungszeiten zu keiner erhöhten Umsatzentwicklung, sondern nur zu einer Verlagerung der Kundschaft weg von den kleinen Läden hin zu den großen Ketten. Die kleinen, personalintensiven Geschäfte könnten sich die zusätzliche Öffnung kaum leisten.
Auch bleibt die Frage nach den Zuschlägen für die Zusatzarbeit am Wochenende ungeklärt. Arbeitgeber und Gewerkschaft konnten sich bisher noch nicht auf ein Tarifpaket einigen. In Berlin forderten die Gewerkschaften 50 Prozent Zuschlag für die Zeit am Samstag zwischen 16 und 20 Uhr. Die Verhandlungspartner gingen jedoch ergebnislos auseinander, ohne einen weiteren Termin zu vereinbaren. Ver.di startet jetzt Umfragen zur Streikbereitschaft der Angestellten des Einzelhandels, so Wolff.
Busch-Petersen dazu: „Wir wollen die Ladenöffnung tarifpolitisch untersetzen, aber es gibt keinen Zwang und keine Notwendigkeit, das sofort zu tun. Zurzeit überholt die betriebliche Realität die Verhandlungen, denn alle Läden, die aufmachen wollen, machen auch auf – und daran ändert auch Ver.di nichts.“
SONJA WERDERMANN