: Kleiner Ball ganz groß
Das in Bremen brasilianische Ballbehandlung geschätzt wird, weiß man nicht erst seit der Trennung von Ailton. Seinen Abschied versüßte der erste Hansa-Futsal-Cup in Bremen. Seit zwei Jahren erobert der südamerikanische Volksport Deutschland
Aus BremenDorothea Ahlemeyer
Auf den ersten Blick sah in der Bremer Uni-Sporthalle am Samstag zwar alles so aus wie bei einem normalen Fußball-Hallenturnier. Herberger-Zitate waren beim Kampf zwischen Futsal Erlangen, Inter Wesel, Uni Bremen und Uni Münster um den Hansa-Futsalcup aber nicht angesagt.
Denn war der Ball auch rund – beim Futsal ist er klein und schwer wie eine Kokosnuss. Und außerdem dauerte das Spiel nur zwanzig Minuten. Es war das erste Turnier dieser Art in ganz Norddeutschland, und den Pokal sahnten verdient die Münsteraner ab. Wesel wurde Zweiter, Bremen Dritter, Erlangen Letzter – und das, obwohl das Team fast ausschließlich aus Brasilianern bestand. Und die stammen schließlich aus der Heimat des Futsal. Sagen sie zumindest. Uruguay beansprucht die Erfindung des Volkssport in den 30er Jahren ebenso für sich.
Wer wissen will, wo die Unterschiede zwischen Futsal und dem üblichen Geschiebe auf dem Bolzplatz liegen, muss die Münsteraner Siegermannschaft fragen. Denn bis vor zwei Jahren war der Begriff auch für sie noch ein Fremdwort. Unbedarft fuhr das Universitäts-Fußballteam im Frühjahr 2002 zu einem vermeintlichen Hallenturnier nach Portugal und kam sich schon beim Aufwärmen vor wie im falschen Film. „Der Ball war viel zu klein und zu schwer, und die Schiedsrichter pfiffen jede Grätsche“, erzählt der Münsteraner Trainer Georg von Coelln grinsend: „Es hat bis zum Ende des Turniers gedauert, bis wir die Regeln gerafft haben.“
Dazu gehören neben der Ballgröße eine geringere Toleranz von Fouls, das Spielzeitstoppen bei jeder minimalen Unterbrechung und der fliegende Wechsel zwischen den Spielern. So bietet Futsal flexiblere und schnellere Aktionen und viel mehr Spannung im Torraum als das herkömmliche Fußballspiel. In Portugal ernteten die Münsteraner als „technikbarbarische Deutsche“ noch Gelächter – sie fanden das System aber gleichwohl so gut, dass sie ein halbes Jahr später selbst einen Verein gründeten.
Nach Bremen hat Michael Myrcik das Spiel gebracht, das in Sachen Schnelligkeit und Raumaufteilung Basketball nicht unähnlich ist. Der lizensierte Fußballtrainer arbeitete ein Jahr lang mit Straßenkindern in Brasilien und war fasziniert. In Südamerika ist Futsal mindestens ebenso verbreitet wie Fußball, gespielt wird meist auf Asphalt. Seit zwei Jahren bietet Myrcik jetzt Kurse im Hochschulsport an, demnächst soll eine feste Mannschaft stehen.
Derzeit gibt es in Deutschland davon etwa ein Dutzend. Bislang trifft man sich nur auf Turnieren wie dem in Bremen. In Spanien, Portugal oder auch Belgien existieren dagegen längst Profi-Ligen. Bei der letzten EM war noch keine deutsche Nationalmannschaft vertreten. Zum diesjährigen EM-Turnier nach Zypern soll nun das Team als „Nationalmannschaft“ fahren, das im Juni in Münster den größten Cup des Jahres gewinnt.
Das Schattendasein von Futsal in Deutschland liege, so der extra aus Erlangen angereiste Brasilianer Erion, übrigens in der allgemeinen deutschen Technikschwäche auf dem normalen Fußballplatz begründet: „Was glaubt Ihr, was Pele, Ronaldo und Ailton groß gemacht hat? Wenn Ihr in Deutschland Zauberfußball spielen wollt, bringt Futsal an die Schulen!“