: Wird die Kunst noch brotloser?
Im Windschatten der Kürzungen im Sozialetat soll auch die Soziale Künstlerförderung abgeschafft werden. Verbände sprechen von einem „Bauernopfer“. Künstler loben das Programm, das „mehr in die Breite geht“, als „erfrischend altmodisch“
Bremen taz ■ Malade Comicfiguren bevölkern die Wände im Spielzimmer der Hess-Kinderklinik am St. Jürgen-Krankenhaus. Warum auch soll Kater Sylvester immer schnell und stark sein – der kann sich schließlich auch mal ein Bein brechen. Im Foyer der Klinik steht ein überlebensgroßer Hase aus Plexiglas, darin Spielsachen in allen Farben und Formen. Beide Werke – das Wandbild und die Skulptur – haben Bremer KünstlerInnen als Gegenleistung für die soziale Künstlerförderung, die die Stadt ihnen gewährte, erbracht. Doch eben diese Förderung wird nun schon zum Juli dieses Jahres abgeschafft. Die Begründung lautete auch hier: Sparen tut Not.
Rund 25 wechselnde Künstler und Künstlerinnen wurden über dieses Programm jedes Jahr unterstützt – bezahlt hat das die Sozialsenatorin. Denn Bremen hat die Künstlerförderung schon vor 15 Jahren angebunden an das Sozialhilfegesetz. Genau das entpuppt sich nun als Problem: Mit der Hartz-Reform wird das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zum 1. Januar 2005 aufgehoben. „Es gibt dann für dieses Förderprogramm keine juristische Grundlage mehr“, so die Sprecherin der Sozialbehörde. Aber nicht nur die Zukunft der Künstlerförderung ist ungewiss – unter dem Druck ihrer Senatskollegen will Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) das Programm schon zum Juli dieses Jahres einstellen. „Das ist eindeutig ein Bauernopfer“, kommentiert der Vorsitzende des Berufsverbands Bildender Künstler (bbk) in Bremen, Wolfgang Zach. „Diejenigen, die heute Künstlerförderung bekommen, beantragen morgen Sozialhilfe“, sagt Zach. „Die Stadt spart in diesem halben Jahr überhaupt nichts“. Um die Förderung zu bekommen, mussten sich die Künstler bislang zunächst bei der Sozialbehörde bewerben, die den wirtschaftlichen Anspruch prüfte. Anschließend entschied eine Jury aus Bremer und auswärtigen Kunstverständigen beim Kultursenator, welche Künstler tatsächlich Geld bekommen – und legte die Gegenleistung für Bremen fest.
Denn anders als bei der ‚normalen‘ Sozialhilfe geben die KünstlerInnen ihre Förderung von 9.000 bis maximal 12.000 Euro pro Jahr in Form von Kunst an die Stadt zurück. In Behördengängen, in Krankenhäusern und Senatorenzimmern ist so für ein reiches Angebot zeitgenössischer Werke gesorgt. „Das ist insofern eine sehr fortschrittliche Idee“, wirbt Rose Pfister vom Kulturressort für den Fortbestand des Programms. „Die reine Alimentierung durch Sozialhilfe, die wir vorher hatten, berücksichtigt ja nicht, dass das im Grunde arbeitsfähige Menschen sind – als Künstler natürlich.“ Insofern passe das Konzept genau zum Geist der Hartz-Reform: „Die Menschen, die arbeiten können, sollen in dem Beruf, den sie haben, gehalten und unterstützt werden – nichts anderes machen wir mit der sozialen Künstlerförderung“. Zurzeit sucht eine Gruppe von VertreterInnen der Sozial- und der Kulturbehörde nach Möglichkeiten, das Bremer Fördermodell in die Hartz-Gesetze zu integrieren. Für das Problem, dass schon im Juli kein Geld mehr zur Verfügung steht, ist das aber keine Lösung.
Auch Wolfgang Zach ist über das plötzliche Einstellen des Programms konsterniert: „Eine Stadt, die eine Kunsthochschule unterhält, die sich als Kulturhauptstadt bewirbt, muss sich auch um den Berufseinstieg der KünstlerInnen kümmern“, nennt er einen der wesentlichen Zwecke der sozialen Künstlerförderung. Aber auch ältere Künstler, „die nicht den mainstream bedienen und auch keine Möglichkeit mehr haben, umzusatteln“, konnten am Förderprogramm teilnehmen. „Aber ein Künstlerleben ist eben immer riskant“, so Zach. „Ich bräuchte jedes Jahr einen großen Auftrag, um mein Einkommen zu garantieren – das hat man aber nicht immer.“
Achim Manz, inzwischen ein auch international anerkannter bildender Künstler aus Bremen, könnte davon ein Lied singen. „Ich habe anfangs Künstlerförderung bekommen, und später gab es auch noch mal einen Durchhänger, in dem mir das Programm geholfen hat.“ Und zwar nicht nur materiell. Für ihn ist die Bremer Idee der Förderung „erfrischend altmodisch“. Denn im Gegensatz zum Bundestrend der reinen Stipendien-Förderung, mit der hauptsächlich die Spitzen der Kunstschaffenden gefördert werden, geht das Programm hier „mehr in die Breite“. Manz meldet am reinen Stipendiatentum Zweifel an: „Die Spitzen im Kunstmarkt sind ja immer auch gemachte Spitzen.“ Während der Förderzeiten hat er es sehr genossen „auch einmal für längere Zeit an unverkäuflichen Sachen zu arbeiten“.
Auch deshalb kämpft Rose Pfister von der Kultur-Behörde mit dem bbk so entschlossen um den Fortbestand des Förderprogramms: „Denn es bedeutet ja auch, dass wir diejenigen, die wir unterstützen und deren Werke wir dadurch ankaufen, als Künstlerinnen und Künstler ernst nehmen.“ Elke Heyduck