: Die verschobene Vision
Berlinsport in der Krise 3: Der Berliner Handball wird so schnell nicht erstklassig werden. Immerhin entgehen die Reinickendorfer Füchse wohl dem Abstieg – aus der 2. Liga
Es scheint gerade noch einmal gut gegangen zu sein für die Handballer der Reinickendorfer Füchse. Durch einen klaren 34:27-Sieg im Abstiegsduell gegen den Tabellennachbarn TV Emsdetten ist der Klassenerhalt so gut wie sicher. Es wird also weiterhin Bundesligahandball geben in Berlin. Allerdings nur in der zweiten Spielklasse. Und daran wird sich so schnell wohl auch nichts ändern. Am Ende einer nicht gerade berauschenden Saison ist beinahe nichts mehr zu hören von den großen Tönen, die zu Beginn gespuckt wurden.
„Vision 2005“ nannte sich ein Projekt der Füchse. Für das Jahr 2005 wurde der Aufstieg in die erste Liga angepeilt. Heute sind die Verantwortlichen bei den Füchsen eher kleinlaut. „Das Projekt mussten wir quasi um ein Jahr verschieben“, sagt der sportliche Leiter Thomas Micheli. Um den Aufstieg in die Eliteklasse wird man wohl auch in der kommenden Saison nicht mitspielen können. Der Hallensprecher wird wieder der einzige erstligataugliche Akteur der Füchse bleiben. Der macht das Horst-Korber-Zentrum, in dem die Berliner ihre Heimspiele austragen, schon einmal zum Center.
Das müsste dem Handballmanager Micheli gefallen. Center. Er träumt von Spielen seiner Füchse in großen Arenen. Er sieht seine Füchse schon in der neuen Großhalle am Ostbahnhof auflaufen. Es habe sogar schon Informationsaustausch mit den Planern der Halle gegeben. „Man wird dort sicher ein Handballteam installieren wollen“, weiß Micheli. Und da führe kein Weg an den Füchsen vorbei.
Nach teilweise chaotischen Jahren haben sich die Nordberliner durch solides Management und dem Zweitligaaufstieg vor zwei Jahren als Nummer eins in Berlin etabliert. Und das soll so bleiben.
Mit Hilfe des Berliner Handballverbandes sollen die besten Spieler aus der Stadt an die Füchse gebunden werden. Es dürfte vielen Funktionären anderer Vereine schwer fallen, auf den aufwändig ausgebildeten Nachwuchs zu verzichten. Micheli hofft jedoch auf Doppelspielberechtigungen, die es den Handballern erlauben soll, auch nach einem Wechsel zu den Füchsen für ihren Heimatverein Tore zu werfen. Der Handballbund hat die volle Unterstützung für dieses Projekt angekündigt. Vorbild ist die Zusammenarbeit des Basketballmeisters Alba Berlin mit dem TuS Lichterfelde.
Doch Micheli hat noch ein ganz anderes Vorbild. Er träumt von einem Boris-Becker-Boom für den Handballsport. Es scheint ihn zu wurmen, dass ein Besucherweltrekord für ein Klubspiel in Köln, wo es nicht einmal eine Erstligamannschaft gibt, aufgestellt wurde, und in der Hauptstadt immer noch nicht viel läuft. Die Installierung einer Vermarktungsgesellschaft – schon für Ende 2003 angekündigt – steht erst jetzt kurz vor ihrer Vollendung. Allzu viele Interessenten für die Vision 2006, wie es nun wohl heißen muss, scheint es noch nicht zu geben.
Nach dem Sieg gegen Emsdetten steht nun erst einmal die Planung für die nächste Zweitligasaison an. Erste Gespräche mit Spielern wurden bereits geführt. Ein absoluter Kracher wird wohl nicht darunter sein. Zu Saisonbeginn hatte die Berliner Morgenpost noch Hoffnung auf die Heimkehr eines Berliner Handballgewächses: Stefan Kretzschmars Vertrag in Magdeburg werde bald auslaufen. Der hat inzwischen bis 2007 in Sachsen Anhalt verlängert. Wer von seiner Verpflichtung träumt, der hat wohl schon wieder eine neue Vision. Die Vision 2007.
Andreas Rüttenauer