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Archiv-Artikel

berliner szenen Unscheinbar abwesend

Trauriger Gardinenkauf

Wenn jemand gegangen ist, fühlt sich die Wohnung ganz anders an, und Veränderungen geschehen so allmählich im Hintergrund. Die Abwesenheit dessen, der eine Weile hier war, drängt und schiebt einen ganz langsam (das dauert ja Tage) am Schreibtisch sitzend in die äußerste Ecke der Wohnung. Das dauert Tage, vielleicht Wochen, und es ist, als wäre der Schreibtisch ein Schiff, das aus der Nähe des Strudels gefahren werden muss, den ihre Abwesenheit darstellte, obgleich oder weil ihre Anwesenheit eher unscheinbar gewesen war.

In der Nacht bewegte sich das Bett, das nichts mehr mit dem Fernseher zu tun haben wollte, in die andere Ecke des Zimmers, empört verließ der Fernseher den Raum, nur der Blick immer auf den Eingang gerichtet, durch den sie früher gekommen war, ins andere Zimmer, in dem Stühle, Sessel und Sofa nun ziemlich allein standen. Selbst die Vorhänge wurden ausgetauscht, aus Blau wurde Weiß oder Gelb und plötzlich hing eine Rot-Gold-Kombination vor dem einen Fenster; man selber trug Schwarz, war erschrocken und beseitigte das sofort und ging in das Einrichtungshaus Domäne am Halleschen Tor, um weiße Vorhänge zu kaufen.

Unglücklich stand man in der Vorhangabteilung, wie man eigentlich sein Leben lang immer unglücklich in der Vorhangabteilung gestanden hatte. Zwei Schwule mit netten Schnurrbärten standen da so schwul nebeneinander vor diesen Gardinenresten, die an einem runden Ständer aus Messing hingen, und konnten sich auch nicht entscheiden. Und man stand so daneben und grinste aus Freude über ihr Schwulsein, ACH WAS, eher darüber, dass die beiden so ein prima Paar zu sein schienen. Nur ein Dackel hätte da noch gefehlt. DETLEF KUHLBRODT