: Ein starkes östwestliches Einmannteam
Fritz Kater heißt der Dramatiker des Jahres. Hinter dem Namen verbirgt sich der Theaterregisseur Armin Petras
Wer hätte das gedacht? Wer hätte gedacht, dass die Sehnsucht nach Liebe, Familie und Heimat noch einmal so das Publikum in seinen Bann zieht wie in Fritz Katers Stück „zeit zu lieben. zeit zu sterben“. Für dieses Stück in einer Inszenierung des Hamburger Thalia-Theaters erhielt der Autor Fritz Kater schon großen Beifall auf dem Theatertreffen in Berlin und dafür ist er jetzt auf den Mühlheimer Theatertagen zum Dramatiker des Jahres gewählt worden. Drei von sechs Juroren entschieden sich für ihn, genauso viele für Roland Schimmelpfennig. Den Ausschlag gab das Votum des Publikums.
Tiefste Pubertät mit dem Horror der ersten Verabredung und tiefste Ost-Vergangenheit, in der das Bild der Freiheit auf der anderen Seite der Grenze von – ungelogen – bunten Luftballons angedeutet wird, verhandelt Fritz Kater in diesem Stück. Es ist Teil einer Trilogie, die den Blick auf den Osten Deutschlands konzentriert und beschreibt, wie die Vergangenheit in der Gegenwart noch wächst. Am Thalia-Theater haben die Schauspieler, die selbst zum Teil im Osten aufgewachsen sind, den Autor überredet, das Stück herauszubringen.
Fritz Kater ist ein Pseudonym des Regisseurs Armin Petras. Petras, 1962 in Meschede geboren, siedelte mit seinen Eltern 1969 in die DDR über. Während seines Studiums der Regie an der Ernst-Busch-Schule in Berlin entschloss er sich zur Ausreise in die BRD. In den Neunzigerjahren wurde er zu einem viel beschäftigten Regisseur an Stadttheatern in West- und Ostdeutschland. Sein Alter Ego Fritz Kater schreibt seit 1990 die Stücke, die Petras in der Gegenwartsdramatik vermisste.
Mit Bedacht hält Petras an dieser Rollenaufteilung fest. Denn der Autor Fritz Kater darf leiden und seine Ostdepression pflegen, wo der Regisseur Witze reißt. Es gibt immer einen Moment, da sehen sich die Figuren der Kater-Stücke als Verlierer: der Geschichte, des Fortschritts, der fehlenden Liebe. Aber kaum erwischt sie das Jammern, bietet ihnen der Regisseur Petras derart viele Spielmöglichkeiten, die eigene Situation zu überzeichnen und zu parodieren, dass sie wieder Abstand gewinnen.
Gemeinsam bilden Petras und Kater ein starkes Team, das den ganzen theatralischen Aufwand von Genrezitaten, filmischen Erzählmethoden, Slapstick und selbst von Chören aus Laien in den Dienst der Figuren stellt und ihren Kampf um Selbstverwirklichung mit vielen Tricks anreichert. Inzwischen werden Katers Stücke auch von anderen, meist jüngeren Regisseuren nachgespielt. Wie die Texte dabei ein anderes Fleisch ansetzen, beobachtet Petras mit Interesse.
Inzwischen ist der letzte Teil der Trilogie in Arbeit. Im Dezember soll „We are Camera“ in Hamburg herauskommen. Dort steht die Erinnerung an die Zeiten den Kalten Krieges, als Misstrauen und Bespitzelung selbst intimste Freundschaften belasteten, im Mittelpunkt. Der Ostwestkonflikt ist dabei für Kater/Petras mehr als eine deutsche Geschichte: „Unsere Gesellschaft besteht zu 99 Prozent aus Migranten, und wenn es die Generation der Väter und Mütter war“, sagt er.
Deshalb sind seine Beobachtungen, wie nach dem Ende der großen gesellschaftspolitischen Utopien die Verwurzelung im Nahbereich, in den unmittelbaren Beziehungen, wieder einen neuen Stellenwert erhält, von weiter reichender Gültigkeit.
KATRIN BETTINA MÜLLER