der kommentar : Das Öl des 21. Jahrhunderts
Vergangene Woche kommentierte an dieser Stelle Niklas Alt das Attac-Engagement für freie Online-Tauschbörsen. Er fragte sich, was kolumbianische Kaffeebauern mit Musik-Downloads zu tun haben. Oliver Moldenhauer von Attac antwortet
In unseren Gesellschaften wird Wissen immer wichtiger, wird ein immer größerer Teil der Arbeitskraft in die Erschaffung und Reproduktion von Wissen gesteckt. Der Vorteil von Wissen ist aus der Sicht derjenigen, die daran verdienen, sein größter Nachteil: Wenn es einmal da ist, kann es praktisch beliebig leicht vervielfältigt werden. Das gilt für Software ebenso wie für Musik und Bücher, aber auch für neue Reissorten und Medikamente. Diese Kopiermöglichkeiten machen es für die ProduzentInnen von Wissensgütern schwer, Profit aus ihren Produkten zu ziehen, daher bemühen sie sich, den freien Zugang zu Wissensgütern weiter zu beschränken. Das früher mal ausgewogene Verhältnis zwischen den Interessen der Allgemeinheit und den geistigen Eigentumsrechten wie Patenten verschiebt sich immer weiter zugunsten der Rechteinhaber: In Deutschland dürfen Bauern ihr selbst geerntetes Getreide nicht mehr aussäen, ohne eine Gebühr zu zahlen, in Amerika ist die Idee patentiert worden, Bücher mit einem einzigen Mausklick zu kaufen, und in Südafrika wurden „Raubkopierer“ von Aids-Medikamenten verklagt. Und jetzt schreibt eine neue EU-Richtlinie vor, dass Internet-Provider der Musikindustrie Daten ihrer Kunden überlassen müssen. International regelt das WTO-Abkommen zu geistigen Kontrollrechten (Trips) das Eigentum an Ideen. Schon jetzt hat es dazu geführt, dass die Lizenzzahlungen des Südens an die Konzerne des Nordens massiv zugenommen haben. Den „Entwicklungsländern“ wird damit ein Weg zur nachholenden Industrialisierung versperrt, den zum Beispiel Deutschland im 19. Jahrhundert begangen hat. Damals hat sich hierzulande niemand für englische Patente an Dampfmaschinen und Webstühlen interessiert. Heute würde die WTO die Patente durchsetzen.
OLIVER MOLDENHAUER