: Der Hase im Pfeffer
Harmlosigkeit als Erfolgsgeheimnis: Alfred Biolek streicht die Segelund moderiert heute seinen letzten „Boulevard Bio“ (23 Uhr, ARD)
von JENNI ZYLKA
Das mit der Ära, die zu Ende geht, ist ein zugegeben arg strapazierter Begriff. Aber wenn er nun mal passt? Wenn kein anderer Talkmaster der Öffentlich-Rechtlichen über eine so lange Zeit so erfolgreich war, dass er zur Marke geworden ist? Immerhin feiert der kleine Mann im Juli rüstige 69 Jahre Leben und nähert sich damit einem Alter, in dem einen die neuen Reformen an die karge Rente denken lassen.
Sorgen ums Geld wird sich Dr. jur. Alfred Franz Maria Biolek aber nicht machen müssen, wenn er bei der heutigen „Boulevard Bio“-Sendung das letzte Mal die Gäste mit seinen gelben Profi-Talkmaster-Kärtchen haut. Dafür hat er zu viele Schäfchen ins Trockene gebracht: Bereits 1974 produzierte der gebürtige Freistädter (tschechisch Karviná) für den WDR „Am laufenden Band“, die damals sehr erfolgreiche Serie mit dem späteren Busengrapscher und stetigen Akzentartisten Rudi Carrell. Nach kleineren Talkshows für den WDR stellte er 1978 die Talkshow „Bio’s Bahnhof“ vor, bis 1985 ein Garant für den typischen Bio-Mix aus Ausreden-Lassen und Heranschleimen, aus Neugier und gelassener Introvertiertheit. Nach den beiden etwas weniger goutierten Formaten „Bei Bio“ und „Mensch Meier“ wurde 1991 das erste Mal aufs „Boulevard Bio“-Sofa der ARD geladen, später übrigens auf erstaunlicherweise nie knarrende Rattanmöbel.
Das Besondere am Boulevard, der Grund, warum man trotz bereits erwähntem unkritisch-onkeligem Herangeschubber, trotz des Bio-Gesichtsausdrucks, der im Laufe der Jahre immer mehr zu einer Bio-Karnevalsmaske wurde, trotz allseits verständigem Nicken und eher leutseligen Humorversuchen so oft bei Bio hängen blieb, war die Talk-Mischung. Bio, und damit muss man wohl vor allem Bioleks Redaktion würdigen, verstand es ungewöhnlich gut, einen Cocktail aus auf den ersten Blick vielleicht gar nicht zusammenpassenden Menschen zu mixen und dann auch noch allen interessante Geschichten zu entlocken. Nicht wie Kerner oder Beckmann, die stärker mit einem vermeintlichen öffentlichen Interesse an schmutziger Wäsche kungeln (und insofern viel eher den Begriff Boulevard im Titel führen sollten), lädt Bio oft Menschen ein, deren Geschichten wirklich und objektiv klasse sind und die diese auch noch prima erzählen können. Und wollen: zu befürchten hat man von Bio, im Gegensatz zu anderen Talkshow-GastgeberInnen, wahrlich nichts. (Mal sehen, wie das mit seiner Nachfolgerin, der scharfzüngigen und hellen Frau Maischberger, wird.)
Viele und intensive Vorgespräche müssen in der Bio-Redaktion gelaufen sein, um so oft ins Schwarze zu treffen. Nicht immer allerdings, dafür ist Bio denn doch zu öffentlich-rechtlich-banal-harmlos, und gerade bei seinen Einzelgesprächen wurde klar, wo der Hase im Pfeffer liegt, ob bei Helmut Kohl, Lilo Wanders oder Theo Waigel. Die offizielle Bio-Marke ähnelt ein wenig dem offiziellem Bio-Siegel der deutschen Verbraucherschutzministerin: nett, gut gemeint, aber harmlos und oberflächlich.
Und apropos Hase im Pfeffer. Nach der heutigen Sendung, in der Verona Feldbusch, Barbara Becker, der Tenor Thomas Quasthoff und die südafrikanische Boygroup The Sentimentals den letzten Teil der Abschlusstrilogie „Glaube, Liebe, Hoffnung“ diskutiert haben, können Fans und Gourmets den Mann natürlich noch weiterhin bei „Alfredissimo!“, seiner Kochshow, anschwärmen, die ja eigentlich viel tiefer in unergründliche Bio- Charakteristika blicken lässt als sein Talkshow. Denn hier verliert er manchmal den freundlichen Parleur und findet sich wieder als medioker starrsinniger, lustbetonter, schon etwas eigener älterer Herr. Einer, mit dem man keinen Nachbarschaftsstreit haben möchte, wenn der Hund ihm aus Versehen an die Bio-Rabatten pinkelt.