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Archiv-Artikel

Neue Gewalt trotz Friedensplan

Vier israelische Soldaten von der Hamas in der Nähe des Gaza-Streifens getötet. Jüdische Siedler kündigen Widerstand gegen geplante Evakuierung von illegalen Siedlungen an

JERUSALEM taz ■ Als „Kapitulation vor dem Terror“ bezeichneten Aktivisten aus dem rechts-nationalen Lager in Israel die Evakuierung illegaler Siedlungen. 14 so genannte Vorposten, die meisten davon unbewohnt, sollten noch gestern Nacht geräumt werden. Der Rat der jüdischen Siedler kündigte Widerstand an. In Ramallah berief der palästinensische Premierminister Mahmud Abbas (Abu Masen) eine Pressekonferenz ein, um vor allem der lokalen Bevölkerung seine letzte Woche in Akaba gehaltene Rede zu erläutern.

Mit der Begründung, Abu Masen hätte weder das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge noch die Zukunft Jerusalems erwähnt, stellte die Hamas unmittelbar nach dem jordanischen Friedensgipfel die Waffenstillstandsverhandlungen mit Abu Masen ein. Die Hamas bekannte sich am Sonntag mit zwei weiteren militanten Widerstandsgruppen zu einem Überfall am Grenzübergang zum Gaza-Streifen. Dabei waren vier Soldaten getötet worden.

„Blut auf dem [Friedens-] Plan“, lautete gestern die Schlagzeile der liberalen Tageszeitung Ma’ariv vor dem Hintergrund eines Fotos, das die Bergung eines Opfers am Grenzübergang zeigte. Abu Masen wertete den Zwischenfall als direkten Angriff auf sich selbst: „Es gibt Gruppen, die seit der Regierungsbildung versuchen, die Situation eskalieren zu lassen.“ Er sei nicht zu einem Bürgerkrieg bereit, meinte er und appellierte an die Oppositionsgruppen, den Dialog mit ihm zu erneuern. Ein für gestern geplantes Treffen mit Hamas-Führern in Gaza sagte er, Berichten zufolge aus Angst vor einem Mordanschlag, ab.

Seine Rede, die sich ausschließlich mit dem Ende des militanten palästinensischen Kampfes gegen die Besatzung befasste, bezöge sich lediglich auf die erste Stufe der „Roadmap“. Die Rede sei zuvor mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat abgestimmt worden. Arafat wiederum mokierte sich vor Journalisten über die angekündigten israelischen Zugeständnisse. Wen wolle Scharon mit der „Verrückung von zwei, drei Wohnmobilen zum Narren halten“, fragte er.

Abu Masen zeigte sich zuversichtlich, dass im Rahmen des Friedensplanes die Gründung eines Palästinenserstaates „innerhalb von zwei Jahren“ stattfinden könne. Von Israel forderte er den sofortigen Baustopp der Trennanlagen, die Freilassung der 10.000 Häftlinge und ein Ende der Blockade von Arafats Amtssitz.

Weil er „dem Gesetz verpflichtet ist“, so Israels Premierminister Ariel Scharon, sollen die unter in seiner Regierungszeit illegal errichteten „Vorposten“ evakuiert werden. Bereits am Sonntag musste er sich im Verlauf einer Likud-Veranstaltung von den Parteiaktivisten, die selbst in jüdischen Siedlungen wohnen, scharfe Kritik anhören. „Scharon kapituliert vor dem Terror“, hieß es auf ihren Plakaten. Richtiger wäre wohl, dass er vor dem US-amerikanischen Druck kapituliert. Washington machte deutlich, dass eine Verzögerung der geplanten Räumungen ungeachtet der jüngsten Überfälle außer Frage stünde.

Jehuschua Mor-Jossef, Sprecher des Dachverbandes der Siedler Jescha (Initialwort für Judäa, Samaria und Gaza), lehnte eine freiwillige Räumung ab. Er könne den „Sinneswandel Scharons“, der doch einst selbst die Siedlungen gebaut habe, nun aber plötzlich von „Besatzung“ spreche, nicht nachvollziehen. „Wir werden uns nicht zu Opfern der verwirrten Einsichten Scharons machen lassen“, erklärte er und rief die Öffentlichkeit dazu auf, „den Prozess zu verhindern“. Obwohl er betont, dass „Gewalt vermieden werden soll“, kündigte er an: „Wenn wir heute evakuiert werden, kommen wir morgen wieder.“ Siedleraktivist Pinchas Wallerstein versprach gar die Einnahme „von zehn neuen Hügel“ für jeden geräumten „Vorposten“. SUSANNE KNAUL