der kommentar
: Die Kultur des Abschaltens

Kulturstaatsministerin Christina Weiss plädiert für einen fernsehfreien Tag. Das wirft viele Fragen auf

Es gibt viele kulturlose Parteipolitiker, aber nur eine parteilose Kulturpolitikerin – Christina Weiss (50). Sie fordert, was SPD-Kanzler Helmut Schmidt vor 25 Jahren schon forderte: einen fernsehfreien Tag pro Woche. Weiss, immerhin Verwaltungsrätin des ZDF, will die so gewonnene Zeit der Kultur schenken. Ein solcher „Solidarpakt zwischen dem Fernsehen und den Künsten“ sei ein „Gewinn für uns alle“.

Lustige Seventies-Revivals hin oder her: Ist die Rückehr des sozialdemokratischen Gesinnungs-Direktionismus à la Schmidt wirklich ein Gewinn? Für alle? Sollten wir nicht selbst entscheiden können, wann wir den Fernseher abschalten? Müssen wir kurzsichtige Senioren künftig mit dem Krückstock ins Theater prügeln? Wer bezahlt uns den Babysitter, wenn RTL2 mal Pause macht? Womit sollen sich die Debilen beschäftigen, auf die das Gros des TV-Programms zugeschnitten ist – wäre es ein Gewinn für Frau Weiss, säßen diese Leute in der Oper neben ihr?

Veteranen der Ölkrise schwärmen noch heute von „autofreien Sonntagen“, als wir auf leeren Autobahnen picknicken konnten. Der „fernsehfreie Tag“ könnte uns immerhin das Erlebnis bescheren, mutterseelenallein durch ein Programm zu zappen, das sonst kein Mensch sieht. FRA