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: Geld ist doch kein Thema

Es geht auch ohne großes Budget: Mit einem revolutionären Konzept hat es Rot-Weiss Köln an die Spitze der Hockey-Bundesliga geschafft

Einige meiner Klassenkameraden spielten Hockey beim HTC Stuttgarter Kickers. Sie wohnten vor den Toren von Stuttgart in Heumaden oder Sillenbuch. Im Treppenhaus ihrer Einfamilienhäuser hing Bismarck in Öl. Auf dem Fußballplatz war nichts mit ihnen anzufangen. Sie konnten viel trinken, vor allem wenn sie Deutscher Meister wurden. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Geld ein Thema war. Das war Mitte der Siebzigerjahre.

Die aktuelle Tabelle der Feldhockey-Bundesliga führt Rot-Weiss Köln ungeschlagen an, in der Halle ist man Erster in der Gruppe West – als Aufsteiger.

Nach einer großen Zeit Ende der Achtzigerjahre rutschte Rot-Weiss ab, am Ende sogar in die zweite Liga. 2007 kamen sechs Nationalspieler in Liga zwei, vier davon Weltmeister 2006, alle sechs Olympiasieger 2008: Christopher Zeller, Philipp Zeller, Timo Wess, Benjamin Wess, Tibor Weißenborn, Max Weinhold.

Stefan Seitz ist promovierter Jurist, Spezialist für Arbeitsrecht und betreut Christoph Daum, Reiner Calmund und Nick Heidfeld. Seitz ist ein ehemaliger Rot-Weiss-Hockeyspieler, Stürmer, dreimal Deutscher Meister in der Halle und hat zweimal den Europacup der Landesmeister geholt. Mit 27 Jahren hat er aufgehört. Als Deutschland im September 2006 Weltmeister wurde und eine gewisse Hockey-Begeisterung ausbrach, versuchten Seitz und sein Freund Tobias Warweg, Jurist und ebenfalls früher bei Rot-Weiss, dies zu nutzen.

Sie suchten nach Spielern, die für das Modell, das sie im Kopf hatten, infrage kamen. „Sie sollten die sportliche Qualität haben, sie sollten die richtige Persönlichkeit haben und sie sollten, was ihren Berufswunsch anbelangt, passen“, sagt Seitz. Das Modell sieht vor, dass die Spieler nach Köln kommen, weil ihnen eine auf sie zugeschnittene Berufsperspektive geboten wird. Sie werden nicht wie üblich durch Fahrtkosten, Aufwandsentschädigungen und Arbeit als Nachwuchstrainer gelockt.

Jurastudent Christoph Zeller, Torschützenkönig der WM 2006, schnuppert in Seitz’ Kanzlei ins Berufsleben, er lernt dort den beruflichen Alltag kennen und wird, wenn er seine Examen besteht, nach der Hockeykarriere in dieser Kanzlei als Anwalt arbeiten. Philipp Zeller, ebenfalls Jurastudent, bietet die Kölner Niederlassung der Kanzlei Linklater eine Perspektive. Timo Wess, Student der Betriebswirtschaftslehre, arbeitet bei Tengelmann, und Torhüter Max Weinhold bei der Marketingagentur Sport-First. „Alle Unternehmen, die mitmachen, haben sich verpflichtet, dass beruflich was aus den Spielern wird“, sagt Seitz.

Es geht nicht um Geld. Seitz garantiert, „dass bei uns kein Spieler Geld für Hockey erhält“. Die Spieler bekommen Geld für die Ausbildung und die Praktika, die sie machen. Sie verzichten auf Geld. Die Brüder Zeller und Weißenborn kamen vom HC Bloemendaal, dem niederländischen Meister, nach Köln. Die Verträge dort waren so gestaffelt, dass in der zweiten Saison mehr Geld verdient wird als in der ersten. Christoph Zeller ging nach der ersten Saison zu Köln, als Torschützenkönig der niederländischen Liga. Inzwischen sind Tobias Hauke, 21, vom Harvestehuder THC, und Juniorennationalspieler Fabian Zilg, 20, TG Frankenthal, hinzugekommen.

In Seitz’ Modell geht es nicht um Sponsoring, Mäzenatentum, es hat mit dem Verein Rot-Weiss Köln nichts zu tun. Die Unternehmen erhoffen sich gute Mitarbeiter, die Spieler hoffen auf einen guten Job nach dem Sport. Das Modell ist auf Dauer angelegt.

Auch aus den meisten Hockeyspielern des HTC Stuttgarter Kickers ist etwas geworden. Ein anständiger Hockeyclub war immer auch eine gute Jobbörse, nur wird das heute besser organisiert. ROGER REPPLINGER