: Nobelkarossen am Meeresgrund
Der im Ärmelkanal gesunkene Autofrachter „Tricolor“ soll im Oktober gehoben werden. Kosten: Mehr als 50 Millionen Euro. Teuerste und komplizierteste Bergung aller Zeiten
STOCKHOLM taz ■ Im Oktober soll der im Ärmelkanal gesunkene Autofrachter „Tricolor“ gehoben werden. Nach längerem Gerangel über die Verteilung der Kosten einigte sich die schwedisch-norwegische Wallenius-Wilhelmsen-Reederei mit den anderen Beteiligten auf ein Grundsatzabkommen.
Ein eigenes Unternehmen, die „Combinatie Berging Tricolor“, wurde für die Durchführung der Bergungsaktion gegründet. Beauftragt wurde die Spezialfirma „SMIT Salvage“, die vor zwei Jahren auch an der Bergung des russischen Atom-U-Boots „Kursk“ im Barentsmeer beteiligt war.
Über die Kosten schweigt man sich aus: Dies sei ein vertraulicher Vertrag. Doch wird die Bergung vermutlich teurer werden als die 50 Millionen Dollar, welche die „Kursk“-Bergung kostete. Jedenfalls wird es die aufwändigste Bergungsaktion, die je für einen Frachter vorgenommen wurde.
Laut „SMIT Salvage“-Pressesprecher Lars Walder will man im Prinzip die gleiche Technik anwenden wie bei der „Kursk“. Der Rumpf der „Tricolor“ soll mit einem speziell entwickelten diamantenbesetzten Sägebandsystem in neun Teile zersägt werden. Diese dann rund 4.300 Tonnen schweren „Tortenstücke“ würden daraufhin einzeln gehoben und zur Verschrottung an Land, vermutlich in die belgische Hafenstadt Zeebrügge, gebracht werden.
Während bei der Bergung der „Kursk“ die Tiefe von mehr als 100 Meter, die Gefahren durch Atomreaktoren und Torpedos und das stürmische Meeresgebiet die eigentlichen Probleme darstellten, wird es laut Walder bei der „Tricolor“-Bergung ausgerechnet die Tatsache sein, dass diese in so flachem Gewässer – nur etwa 25 Meter Tiefe – liegt: „Die Strömung ist da wesentlich stärker.“
Der Grund für die Bergung: Die Lage der „Tricolor“ mitten im Ärmelkanal und die damit verbundene Gefahr für die Schifffahrt. Die Ladung der „Tricolor“ ist nicht ausschlaggebend – auch wenn sie mit 2.871 Pkw der Marken BMW, Saab und Volvo etwa den gleichen Wert hat wie das gesamte 1987 gebaute Schiff, nämlich jeweils rund 60 bis 70 Millionen Euro. Nach dem Kettensägenmassaker dürfte auch nicht mehr viel an Wert von den Luxuskarossen übrig bleiben. „Die meisten werden wohl sowieso herausfallen“, so Walder, „wenn wir die einzelnen Rumpfteile heben.“ Man würde die Autowracks dann so weit notwendig vom Meeresboden aufsammeln und ebenfalls verschrotten.
Für die Kosten sollen die Reederei der „Tricolor“ aufkommen sowie die Reederei der „Kariba“, die das Schiff am 14. Dezember letzten Jahres rammte und damit den Untergang verursachte. Darüber hinaus sollen die Eigentümer der drei Schiffe herangezogen werden, die seitdem auf das Wrack auffuhren.
Bei der deutschen „Nicola“, die gleich am ersten Tag die knapp unter der Wasseroberfläche liegende „Tricolor“ rammte, hat man vermutlich keine Chancen auf Schadensersatz, da das Wrack zu dieser Zeit noch unzureichend gesichert war. Doch die Reedereien der türkischen „Vicky“ und eines Seezeichenlegers will Wallenius-Wilhelmsen regresspflichtig machen.
REINHARD WOLFF