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Archiv-Artikel

Wo sie eine Wüste schaffen …

betr.: „Ein frevelhaftes Fest!“, taz zwei vom 13. 4. 04

Um dem zugegebenen Gemetzel im Jahre 9. n. Chr., als der Cherusker Arminius dem römischen Statthalter Varus eine entscheidende Niederlage zufügte, gerecht zu werden, muss man wissen, dass Arminius nicht etwa nur ein „Barbar“ war, sondern ein in den römischen Adelsstand erhobener, hochrangiger Aristokrat. Mehr noch: Er war gar römischer Präfekt. Sein historisches Verdienst ist es, dass er erstmals die völlig in sich zerstrittenen germanischen Stämme einigen wollte. Er hatte wiederholt mit ansehen müssen, wie Varus und seine Schergen, die in Völlerei und Hurerei lebten, „Steuern“ für ihr Tun bei den germanischen Stämmen eintrieben. Sein Ziel war, das bisherige Blutvergießen unter den Germanen durch einen Stammesbund zu vermeiden. Dies gelang ihm jedoch nicht. Ausgerechnet bei einem von ihm einberufenen Stammesrat wurde er von eigenen Leuten während eines Streitgesprächs erdolcht.

Nur noch einmal wagten die Römer einen „Ausfall“ ins östliche Barbarenland, nämlich im Jahre 369, als Valentinian I. unter Bruch eines Friedensvertrages bei Heidelberg ein Kastell anlegen wollte. Die „Barbarenfürsten“, die ihre Söhne den Römern als Friedensunterpfand als Geiseln gegeben hatten, betrauerten das Schicksal ihrer Kinder und machten die Römer bei ihrem Vorstoß bis auf einen Berichterstatter nieder. WOLFGANG SCHNEIDER, Altrip

Verblüffend ist Semlers Aussage, das Augusteische Zeitalter stehe „für eine Epoche des Friedens und des Wohlstands“. Schon Seneca, Millionär und frustrierter Lehrer Neros, der den Begriff „Pax Romana“ in Umlauf brachte, fragte: „Einzelne Mordfälle bringen wir zwar unter Kontrolle, aber wie steht es mit dem dauernden Kriegführen und dem glorreichen Verbrechen des Völkermords?“ Und zur „Friedensherrschaft“ des Augustus zitiert der römische Schriftsteller Tacitus Zeitgenossen: „Frieden ja – aber voll Blut.“

Den Britannier Calgacus, Freiheitskämpfer im vierzigjährigen Krieg gegen die Römer, lässt er sagen: „Diese Räuber der Welt durchwühlen, nachdem sich ihren Verwüstungen kein Land mehr bietet, selbst das Meer … Plündern, Morden, Rauben nennen sie mit falschen Namen Herrschaft, und wo sie eine Wüste schaffen, nennen sie es Frieden.“ Den Gallier Critognatus lässt er Ähnliches sagen – um sich nicht selbst zu outen.

Selbst der konservative Plutarch konnte schon Caesar – posthum – „unbezwingliche Herrschsucht und ein rasendes Verlangen, der Erste und Größte zu sein“, zuschreiben. (Livius und Vergil betrachteten dagegen das Imperium „von oben“ und priesen es lauthals.) Und wie sah die „Zivilisation“ aus, die der in Germanien gescheiterte, von Semler seiner „ruhigen Gemütsart“ wegen gewürdigte Feldherr Quintilius Varus zuvor den Menschen im von den Römern unterjochten Palästina brachte? Er schlug Aufstände grausam nieder, eroberte Jerusalem und ließ über 2.000 Juden kreuzigen. Dies alles ist spätestens seit Tacitus bekannt. […]

KLAUS SCHMIDT, Historiker, Köln

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