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Archiv-Artikel

Der singende Menschenrechtsverletzer

Der indonesische General Wiranto war die rechte Hand des Diktators Suharto. Jetzt ist er Präsidentschaftskandidat

Er singt Schnulzen mit Titeln wie „Oh mein Indonesien“ und verspricht starke Führung, sollte er die erste Direktwahl eines indonesischen Staatsoberhaupts am 5. Juli gewinnen. Der 57-jährige Exgeneral Wiranto, der wie viele Indonesier nur einen Namen hat, ist am Mittwochmorgen von Indonesiens Golkar-Partei überraschend zum Präsidentschaftskandidaten gewählt worden.

Die Partei des früheren Diktators Suharto liegt nach Auszählung von gut zwei Dritteln der Stimmen der Parlamentswahlen vom 5. April mit 21 Prozent in Führung und verwies die Partei von Präsidentin Megawati Sukarnoputri auf Rang zwei. Golkar und Wiranto profitieren dabei von einer Suharto-Nostalgie. Denn in dessen 32-jähriger Herrschaft erlebte das Land einen Wirtschaftsaufschwung und eine heute verklärte Stabilität.

Wiranto ist der Sohn eines Lehrers aus der zentraljavanischen Stadt Yogyakarta. Die Militärakademie schloss der sanftmütig erscheinende Saxofonspieler als Klassenbester ab und machte fortan eine steile Karriere. 1989 wurde er Suhartos Adjutant. Der ernannte ihn 1997 zum Armeechef und Verteidigungsminister, wobei Wiranto ein für indonesische Verhältnisse moderates Image hatte. Nach schweren Unruhen 1998 überredete Wiranto den angeschlagenen Suharto zum Rücktritt und präsentierte sich selbst als Stabilitätsfaktor in einer chaotischen Übergangszeit. Schon damals wurden ihm Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt.

Als Verteidigungsminister von Suhartos Nachfolger B. J. Habibie trug Wiranto 1999 die politische Verantwortung für die Gräuel des indonesischen Militärs vor und nach dem Unabhängigkeitsreferendum im annektierten Osttimor. Damals wurden, geduldet oder gefördert vom Militär, rund 1.500 Osttimoresen von proindonesischen Milizen getötet und etwa 200.000 vertrieben. Wegen dieser Verbrechen wurde Wiranto von einem Gericht in Osttimor angeklagt. Er ist sich jedoch keiner Schuld bewusst und behauptet, damals noch größeres Unheil verhindert zu haben. Auch sei es nicht möglich gewesen, die Gewalt zu verhindern, die Indonesiens Militär gern als innertimoresische Auseinandersetzung darstellt, um seine Schlüsselrolle zu verleugnen.

Die damaligen Vorgänge in Osttimor interessieren die meisten Indonesier heute so wenig wie Wirantos Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen. Vielmehr dürfte noch ein Solidarisierungseffekt mit dem Exgeneral eintreten, sollte ihm nach einem möglichen Wahlsieg wie von Beobachtern erwartet bei Reisen in westliche Staaten ein Visum verweigert werden.

Doch trotz der Stärke und des Reichtums der Golkar-Partei sind Wirantos Wahlchancen ungewiss. Denn außer gegen Megawati muss er auch gegen den noch beliebteren General Susilo Bambamg Yodhoyono antreten. Doch selbst wenn Wiranto verliert, dürfte seine Kandidatur zumindest sicherstellen, dass er nie für die Gewalt in Osttimor belangt wird. SVEN HANSEN