: Liberale Juden von Schröder enttäuscht
Kanzler hält sich bei Treffen mit Spiegel zurück. Zentralrat erklärt sich zu Gespräch mit Union progressiver Juden bereit
BERLIN taz/epd ■ Die Erwartungen waren hoch. Sehr hoch. Zu hoch. Nichts weniger als eine „salomonische Lösung“ hatten sich die Grünen von dem Gespräch des Kanzlers mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden erhofft. Auch SPD und CDU wünschten sich, dass es zu einer Einigung im Streit um die Verteilung der staatlichen Fördermittel für die Juden in Deutschland kommen möge. Doch eine Lösung dieses heiklen Problems liegt auch nach dem eineinhalbstündigen Spitzentreffen im Kanzleramt in weiter Ferne.
Während Politiker von SPD, CDU und Grünen vor dem Gespräch gefordert hatten, dass die liberalen Gemeinden einen angemessenen Anteil der Fördermittel erhalten müssten, hielt sich der Kanzler gestern demonstrativ zurück. Schröder habe deutlich gemacht, dass er sich in den innerjüdischen Streit „nicht einmischen“ werde, teilte ein Regierungssprecher mit. Als einziges Ergebnis des „intensives Gesprächs“ konnte er vermelden, dass sich Zentralratspräsident Paul Spiegel zu einem Treffen mit der Union progressiver Juden bereit erklärt habe, die 14 liberale Gemeinden vertritt und eine Beteiligung an dem staatlichen Zuschuss von 3 Millionen Euro jährlich gefordert hatte. Konkrete Zusagen? Fehlanzeige. Entsprechend enttäuscht zeigte sich der Vorsitzende der Union progressiver Juden, Jan Mühlstein. Gegenüber der taz sagte Mühlstein: „Natürlich werden wir uns anhören, was uns der Zentralrat anzubieten hat.“ Es gehe bei der Verteilung öffentlicher Mittel aber nicht allein um eine innerjüdische Angelegenheit, betonte Mühlstein. Deshalb sei die Haltung der Regierung, sie könne sich nicht einmischen, falsch, kritisierte er.
„Wenn unsere Gespräche mit dem Zentralrat nicht zu einer Einigung führen, wird der Ball wieder bei der Regierung landen“, sagte der Vertreter der liberalen Gemeinden, die nicht im Zentralrat organisiert sind. „Dann muss der Kanzler entscheiden.“
Die Union progressiver Juden hatte mit einer Klage gegen die Regierung gedroht, falls ihre Ansprüche nicht berücksichtigt werden. Der Zentralrat besteht jedoch darauf, dass nur er allein das Recht hat, über die Vergabe der staatlichen Zuschüsse aus dem Staatsvertrag zwischen Regierung und Zentralrat zu verfügen. Bei dieser Haltung ist Spiegel offenbar gestern geblieben.
Entgegen den offiziellen Stellungnahmen war aus Regierungskreisen zu hören, dass man über die Position des Zentralrats „enttäuscht und auch verärgert“ sei. Bei Abschluss des Staatsvertrags sei man davon ausgegangen, dass der Zentralrat die Fördermittel auch den liberalen Gemeinden zukommen lasse, hieß es: „Das war so besprochen.“
Die FDP kritisierte, dass Schröder gestern kein klares Bekenntnis zur Einbeziehung der liberalen Juden in die Förderung abgegeben habe. Das erhoffte deutliche Signal sei bei dem Spitzentreffen ausgeblieben, sagte der kirchenpolitische Sprecher der FDP, Hans-Michael Goldmann. Vor einem Jahr habe es die Bundesregierung versäumt, andere jüdische Gruppierungen neben dem Zentralrat ausdrücklich in den Staatsvertrag einzubeziehen. LUKAS WALLRAFF
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