: Polizei beendet Rockkonzert
Beim „subversiven Gipfeltreffen“ von DDR-Musiklegende Renft und den Westberlinern Ton, Steine, Scherben gibt es immerhin einen Hauch von Revolte
Nach vier Stunden ist es wieder wie in alten Zeiten: Die Musiklegenden Renft und Ton, Steine, Scherben bekommen es mit der Polizei zu tun. „Alles Scheiße. Weg, weg, weg, weg!!“, brüllt Renft-Sänger Thomas „Monster“ Schoppe (63) am Ende seiner spontanen „Bullen“-Hasstirade in Kreuzberg. Diese schreiten aber diesmal nicht wegen der Texte der Bands ein, sondern wegen Beschwerden von Kreuzberger Anwohnern über die lärmende Musik. Und damit findet in der Nacht zu Mittwoch das große Finale beim „subversiven Gipfeltreffen“ in einem Bierzelt ein vorfristiges abruptes Ende. Nur einen Song dürfen sie noch gemeinsam spielen: „Helden“ (Heroes) von David Bowie.
700 Fans waren in das Zelt auf dem Gelände eines Autohauses gekommen, um die ergrauten Musiker der 68er-Generation erstmals gemeinsam auf der Bühne zu erleben. „Es war überfällig, dieses Treffen zwischen Liga Ost und Liga West“, sagt Schoppe, das einzige noch lebende Ursprungs-Mitglied von Renft. Die 1958 in Leipzig von Klaus Renft gegründete Gruppe feierte mit dem Konzert ihren 50. Geburtstag und hatte viele weitere Gäste eingeladen.
Der als Ex-„Tatort“-Kommissar bekannte Bernd Michael Lade etwa überrascht die Zuhörer mit gesellschaftskritischem Punkrock seiner Band Ret Marut. Er wünscht sich den „Sommer der Anarchie“, während seine Frau Maria Simon, auch Schauspielerin, sich als wilde Punkerin an der Gitarre verausgabte. Sie singen von demolierten Autos – und kurz darauf wird der Chef des gastgebenden Autohauses ausgebuht, als er einige Probefahrten an die Rock-Fans verlost.
Nach zwei Stunden Vorprogramm kommen „Die Scherben“: Am Keyboard ein älterer Herr mit Pullover, am Mikro ein freundlich lächelnder Bierbauchträger, der wie Rio Reiser klingt, als Background-Chor zwei Männer um die 60, die sich ungelenk zur Musik bewegen. Das mitgealterte Publikum bewegt zu „Mein Name ist Mensch“ (1971) etwas den Kopf. Die freundlichen Herren auf der Bühne waren einst Ikonen der Berliner Linken. Als in Berlin in den 70er-Jahren die ersten Häuser besetzt wurden, trafen Lieder wie „Macht kaputt, was euch kaputtmacht“ und „Keine Macht für niemand“ den Ton der Zeit. Einen Hauch von Revolte bietet heute der Auftritt von Arno Funke alias „Dagobert“. Der Ex-Kaufhauserpresser darf bei „Lass uns das Ding drehn“ mitsingen und wirkt in Jeans, Jackett und Nickelbrille wie ein braver Angestellter des Autohauses.
Als „Die Scherben“ 1970 entstanden, hatte Renft – damals eine der führenden DDR-Bands – schon ein Auftrittsverbot der DDR-Oberen hinter sich. 1975 folgte ein weiteres, Klaus Renft selbst und auch Schoppe verließen wegen des Berufsverbots die DDR und lebten einige Jahre in Kreuzberg. Nach dem Fall der Mauer gab es ein Comeback, mit neuer Besetzung hält Schoppe das Erbe lebendig. DPA