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Archiv-Artikel

Subtiler Protest

Warum trinken Männer Wein & Frauen Wasser? Die Antwort gibt Hille Darjes Woolf-Adaption heute zum 500ten Mal an der Concordia. Besuch von der Kulturstaatsrätin empfohlen

von Elisabeth Motschmann

Was hat ein eigenes Zimmer mit dem Thema „Frauen und Literatur“ zu tun? Warum gibt es so zahlreiche Dichter und Denker, leider aber so wenige Dichterinnen und Denkerinnen? Warum trinken Männer Wein und Frauen Wasser? Diese und andere Fragen beantwortet Virginia Woolf in ihrem berühmten Aufsatz: Ein Zimmer für sich allein, der heute zum 500ten und zum letzten Mal von Hille Darjes in ihrer eigenen Bühnenbearbeitung im „Concordia“ gespielt wird.

Subtil, filigran und humorvoll behandelt die Autorin ein Thema, das so alt ist wie die Menschheitsgeschichte und immer aktuell bleibt: das Verhältnis von Mann und Frau. Zitate, Szenen und Episoden – brillant und engagiert vorgetragen von Hille Darjes – führen den Zuschauer in verschiedene Jahrhunderte. „Männer, die keine, wie auch immer geartete, sichtbare Qualifikation besaßen, außer dass sie keine Frauen waren“, beschäftigen sich weniger mit der „Unterlegenheit der Frauen als mit ihrer eigenen Überlegenheit“. Virginia Woolfs Gedanken sind kein lauter feministischer Protest gegen eine ungerechte frauenfeindliche und männerbegünstigende Welt.

Nein, die Autorin unterscheidet sich von den so genannten „Suffragetten“ ihrer Zeit und trägt ihre Kritik so vor, dass man trotzdem schmunzelt, zeitweise sogar lacht. Sie spiegelt Verhältnisse und Gegebenheiten und überlässt es der Zuschauerin diese zu bewerten und eigene Schlüsse daraus zu ziehen.

Das fällt nicht schwer angesichts der ausgewählten Zitate wie: „Der größte Ruhm einer Frau ist, wenn man nicht über sie spricht“ (Perikles um 430 v. Chr.). Unwillkürlich kommt einem ein verwandtes Zitat von Honoré de Balzac in den Sinn, der immerhin noch im 19. Jahrhundert (also circa 2250 Jahre später!) schrieb: „Die Bestimmung der Frau und ihr einziger Ruhm liegt darin, das Herz der Männer schlagen zu lassen“. Zurück zu Virginia Woolf, die trotz aller Leichtigkeit ihrer Sprache und trotz ihres Humors die berühmte Bibliothek der Universität Cambridge „verfluchte“.

Warum? Als sie ein bestimmtes Manuskript dort suchen wollte, war ihr der Zutritt verwehrt. „Ich wollte eben die Tür öffnen, die in die Bibliothek hinein führt, als auch schon ein silberhaariger alter Herr erschien, … und mit gedämpfter Stimme bedauerte, während er mich hinauswinkte, dass Damen in der Bibliothek nur zugelassen seien in Begleitung eines Professors, oder wenn sie mit einem Empfehlungsschreiben ausgestattet seien“. So kommt Woolf zu dem Fazit, dass die „Gleichgültigkeit der Welt“, die so oft Männern von Genie entgegengebracht wurde, bei Frauen eher „Feindlichkeit“ bedeutete. „Die Welt sagte zu ihnen nicht „Schreib, wenn du willst, es ist mir egal“, die Welt schrie mit grölendem Gelächter: ,Schreiben? Wozu soll dein Schreiben gut sein?‘“

Gut ist der Text von Virginia Woolf – und seine exzellente Darstellung durch Hille Darjes – besonders für Männer heute, aber natürlich auch für Frauen. Manches hat sich geändert, entspannt und verbessert im Verhältnis der Geschlechter zueinander. Vieles von dem, was Virginia Woolf beobachtet und erlebt, findet sich aber noch immer hartnäckig in anderen Erscheinungsformen wieder.

Das Stück führt das nicht drastisch, eher behutsam und doch sehr klar vor Augen. Hille Darjes strahlt eine besondere Authentizität aus in ihrer Rolle. Ist es wirklich nur eine Rolle?

Nein, es ist mehr! Am Ende des Stücks gedenkt sie der burmesischen Friedensnobelpreisträgerin Aung Sun Su Kyi, die ein „ganz anderes Zimmer für sich allein bewohnt: eine Zelle.“ Dieser Brückenschlag, zeigt, wie sehr sich die Schauspielerin mit dem Denken der Autorin identifiziert und dies durch die Übersetzung in die Gegenwart ausdrückt.

Virginia Woolf/ Hille Darjes: Ein Zimmer für sich allein, heute, 20 Uhr, Concordia