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Archiv-Artikel

Geistiges Eigentum, keine Handelsware

Bei der Neuauflage der EU-Verfassung droht den Mitgliedstaaten Kompetenzverlust im Medienbereich. Urheberrecht, Rundfunkgebühren, Filmförderung sowie das weite Feld der Kultursubventionen könnten dann als „Handelsaspekte“ von der EU-Kommission geregelt werden

BRÜSSEL taz ■ Die KulturexpertInnen im Europaparlament schlagen Alarm: In Teil III der neuen EU-Verfassung, der eigentlich unverändert bleiben und lediglich neu geordnet werden sollte, steckt eine brisante Neuerung. Es geht um die Bereiche der gemeinsamen Handelspolitik, in denen die EU-Kommission im Auftrag der Gemeinschaft tätig werden darf. Bislang sind „Abkommen über geistiges Eigentum“ – also Bereiche wie Urheberrecht und Copyright – davon ausdrücklich ausgenommen.

Der neue Artikel 212 dagegen schließt „Handel mit Dienstleistungen sowie die Handelsaspekte des geistigen Eigentums“ in den Bereich ein, in dem die Mehrheit für alle – und nicht mehr jedes Mitgliedsland für sich – entscheidet. „Die bisherige Regelung, Abkommen zu audiovisuellen und kulturellen Dienstleistungen auszunehmen, soll gekippt werden“, warnt Ruth Hieronymi, die medienpolitische Sprecherin der Konservativen. Ihre grüne Kollegin, die österreichische Schauspielerin Mercedes Echerer, sagt: „Dass der Konvent zur EU-Reform auch Fragen wie die Gebührenregelung für das öffentlich-rechtliche Fernsehen oder Theatersubventionen behandelt, ist noch nicht in der öffentlichen Debatte angekommen.“

Alle Argumente, die im Zusammenhang mit der Diskussion über Dienstleistungen und geistiges Eigentum bei den Welthandels-Verhandlungen (Gats und Trips) angeführt worden seien, müssten nun erneut auf den Tisch: „Wir haben dafür gekämpft, dass in der laufenden Gats-Runde keine Öffnung im Bereich Kultur, Audiovisuelles, Bildung und Gesundheit stattfindet, und gedacht, dass damit die Diskussion vorläufig erledigt ist“, so die Europaabgeordnete. Die Diskussion um die Buchpreisbindung und die Frage, ob nationale Film- und TV-Fördertöpfe den Binnenmarkt-Regeln entsprechen, hätten gezeigt, dass hier besonderer Schutz nötig sei: „Sensible Bereiche muss man anders behandeln als Stangenware. Ich möchte in den Verträgen eine Sicherheitsgarantie dafür haben, dass man nicht Kultur auf dem freien Markt verhökert.“

Sollte es bei dem nun vorliegenden Text bleiben, müssten in jedem Mitgliedstaat die Fördermaßnahmen im Bereich Film und Fernsehen, Rundfunkgebühren und ganz allgemein für die Kultur oder Bildung auf den Prüfstand. Bislang haben vor allem die Franzosen darauf geachtet, dass die Kultur- und Medienhoheit der Mitgliedsländer nicht per Handelsabkommen ausgehöhlt wird. Doch ausgerechnet ein Franzose, der für Außenhandel zuständige Kommissar Pascal Lamy, hält nun die kulturelle Vielfalt durch allgemeine Vertragsbestimmungen für ausreichend geschützt. Außerdem, so Lamy, ließen sich Radio, Film und Fernsehen ohnehin nicht viel weiter liberalisieren, da die Märkte in Europa allein sprachlich viel zu zersplittert seien.

Dies bestreiten auch die Kulturpolitikerinnen nicht. Sie fürchten aber, dass dieser Bereich künftig als Verhandlungsmasse missbraucht werden könnten nach dem Motto: Öffnet ihr euren Markt für europäische Finanzdienstleister oder Telefonanbieter, gewähren wir euch Zugang zu den Medienförderprogrammen unserer Mitgliedstaaten. DANIELA WEINGÄRTNER