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Archiv-Artikel

Armutsbekämpfung nach Gusto

Management und Mitgliedstaaten ringen um einen Kurswechsel bei der Energiepolitik

BERLIN taz ■ Eigentlich ist es eine überzeugende Idee: Geld, das die Weltbank für Energieprojekte in Entwicklungsländern zur Verfügung stellt, soll künftig nur noch umweltfreundlichen Projekten zu Gute kommen. Das sieht zumindest der „Extractive Industries Review“ vor, den eine Kommission im Auftrag der Weltbank erstellt hat. Doch der Bericht sorgt für heftige Diskussionen in der Bank und bei den Mitgliedstaaten. Diese dürften auch am Wochenende weitergehen.

Die Weltbank vergibt jährlich 25 Milliarden US-Dollar als Darlehen für Projekte in Entwicklungsländern. Auf den Energiesektor entfällt zwar nur ein kleiner Teil, doch handelt es sich dabei meist um kontroverse Projekte wie die Ölpipelines in Nigeria und im Tschad. Rund 94 Prozent der Mittel werden zur Förderung fossiler Energien eingesetzt, nur 6 Prozent für erneuerbare. Diese Art der Armutsbekämpfung steht in der Kritik. Im Juni 2000 reagierte Weltbank-Präsident James Wolfensohn und gab einen entsprechenden Bericht in Auftrag. Dieser liegt seit Januar vor.

Der „Extractive Industries Review“ empfiehlt, die Weltbank möge nur Projekte fördern, die auch den Ärmsten nutzen. Zudem müssten geförderte Unternehmen im Einvernehmen mit den vor Ort Betroffenen handeln. Öl-, Gas- oder Bergbauprojekte in Naturschutzgebieten sollten nicht mehr finanziert werden. Zudem müssten Partnerunternehmen Menschenrechte und Arbeitsstandards einhalten. Der strittigste Punkt des Berichts aber ist: Bis 2008 sollen Investitionen in Ölprojekte schrittweise gestoppt werden. Stattdessen soll die Förderung erneuerbarer Energien um jährlich 20 Prozent steigen.

„Der Bericht trifft den Nagel auf den Kopf“, sagt SPD-Energieexperte Hermann Scheer der taz, „er bestätigt die völlig falsche Prioritätensetzung der Weltbank.“ Scheer unterstützt einen Entschließungsantrag der Grünen im Bundestag, der in der nächsten Woche zwischen den Koalitionsfraktionen verhandelt werden soll. Der Antrag, so Thilo Hoppe, entwicklungspolitischer Sprecher der Grünen, wird die vollständige Umsetzung der „Review“-Vorschläge fordern. Bedenken gebe es jedoch in der SPD-Fraktion sowie in der Bundesregierung. Das Entwicklungshilfeministerium hat sich noch nicht festgelegt. Man unterstütze die Empfehlungen, insbesondere die verstärkte Förderung erneuerbarer Energien, heißt es. Bevor man sich aber im Detail festlege, müssten noch die Argumente der Weltbank gehört werden.

Die offizielle Reaktion des Weltbank-Managements wird für kurz nach der Frühjahrstagung erwartet. Sie dürfte negativ ausfallen. In einem ersten Entwurf wiesen die Volkswirte fast alle Reformvorschläge zurück. Fossile Brennstoffe seien die billigste verfügbare Energiequelle und würden daher den Ausweg aus der Armut beschleunigen.

Dieser Argumentation widerspricht Hoppe. Schließlich würde niemandem verboten, Erdöl zu fördern. „Dafür sind auch im Privatsektor genügend Mittel vorhanden. Das knappe Geld der Weltbank soll lieber für innovative Projekte eingesetzt werden.“

Die Entscheidung über die Annahme der Empfehlungen treffen jedoch nicht die Weltbank-Manager, sondern die Mitgliedstaaten. Hier hat Deutschland als drittgrößter Anteilseigner eine gewichtige Stimme.

NIKOLAI FICHTNER