„Mehr Soldaten“

Georg Dörken, Programmleiter der Deutschen Welt- hungerhilfe für Kongo, über den internationalen Einsatz

taz: Herr Dörken, die Bundesregierung hat endgültig beschlossen, dass sie keine Soldaten in das kongolesische Bunia schickt, sondern in dem internationalen Militäreinsatz nur logistisch und medizinisch tätig wird. Ist das der Situation vor Ort angemessen?

Georg Dörken: Ich denke, das ist der deutschen Position angemessen, da Frankreich die führende Rolle übernommnen hat und auch das größte Kontingent Soldaten hinschickt. Wir haben einfach nicht die Erfahrung, die Frankreich über die Jahrzehnte in Afrika gewonnen hat.

Als Deutsche Welthungerhilfe sind Sie ja schon lange in Bunia aktiv und haben dort Erfahrung. Wird der internationale Einsatz die Lage verbessern?

Grundsätzlich begrüßen wir den Einsatz – mit aller Vorsicht. Zum einen gehen wir davon aus, dass sich die Sicherheitslage in Bunia und eventuell im Umland verbessert. Davon kann man wirklich ausgehen. Aber 1.400 Militärs mit einem robusten Mandat können wirklich nur Bunia und die unmittelbare Umgebung sichern. Wir fragen uns natürlich: Was ist mit den anderen Regionen? Wir kriegen ja regelmäßig Nachrichten, dass in anderen Teilen der Provinz Ituri weitergekämpft wird. In Ituri insgesamt wird sich nicht viel ändern. Da können die Gräueltaten ungemindert weitergehen.

Was müsste geschehen, damit sich etwas ändert?

Man müsste sicherlich das Truppenkontingent ganz massiv aufstocken. Ursprünglich war von 3.000 Soldaten die Rede. Das ist aus meiner Sicht eher die Untergrenze. Denn Ituri ist ziemlich groß. Da wirklich für Ruhe zu sorgen, ist mit wenigen Leuten nicht zu machen und dauert sicherlich auch länger, als das jetzige Mandat der Eingreiftruppe läuft.

In Deutschland wurde viel kritisiert, es gebe kein politisches Konzept für den Kongo. Ist diese Diskussion jetzt weitergediehen?

Weitergediehen nicht. Man ist einfach über einen Mangel gestolpert – das fehlende Afrika-Konzept oder spezifischer: das fehlende Konzept für den Kongo. Wenn man sich die geografische Lage und die Bedeutung dieses riesigen Landes anguckt, wird klar, dass man ein Konzept haben sollte. Deutschland hat über Jahrzehnte gewachsende Beziehungen zum Kongo, das Land ist für uns wegen seiner Bodenschätze sehr interessant. Da sollte man und da wollen wir schon wissen, wo die deutsche Politik hingeht. Aber das ist jetzt angestoßen, und ich hoffe, dass jetzt eine Strategie erarbeitet wird.

Wie müsste eine vernünftige deutsche Kongo-Politik aussehen?

Der wesentliche Faktor wäre die Unterstützung der Zivilgesellschaft. Das ist der einzige Sektor, der überhaupt noch operationell arbeitet im Kongo. Der Staat ist durch die Mobutu-Herrschaft und den Krieg ziemlich kaputtgemacht worden; da müssten auch viele Institutionen wieder aufgebaut werden. Wenn diese zwei Felder – Zivilgesellschaft und Institutionen – beackert würden, wenn sie durch Krisenprävention und Demokratiebildung ergänzt würden, hätten wir wesentliche Grundpfeiler für den Wiederaufbau des Kongo und Eckpfeiler für eine deutsche Politik.

Aber damit hat der Einsatz in Bunia ja überhaupt nichts zu tun.

Nein, das hat damit nichts zu tun. Das sind getrennte Arbeitsfelder.

INTERVIEW: DOMINIC JOHNSON