Aus der Bahn geworfen

DB verliert lukrative Paradestrecke Hamburg - Westerland an den privaten Konkurrenten NOB. Der will schneller, besser, häufiger und billiger fahren

Die Bahn hat eine Erkenntnis gewonnen: „Das ist eben Wettbewerb.“

von SVEN-MICHAEL VEIT

Bei der Nord-Ostsee-Bahn (NOB) in Kiel knallten gestern die Sektkorken. Die Tochter der französischen Connex-Gruppe erhielt vom Land Schleswig-Holstein den Zuschlag für den Betrieb der Bahnverbindung zwischen Hamburg und Westerland. Die NOB habe, begründete Verkehrsminister Bernd Rohwer (SPD) die Entscheidung, „das eindeutig günstigste Angebot abgegeben“.

Die Ausschreibung des zweitgrößten Personennahverkehrs-Projektes in Deutschland war europaweit erfolgt – und endete gestern für die Deutsche Bahn mit dem Verlust der ebenso lukrativen wie prestigeträchtigen Strecke. „Bitter“, so der knappe Kommentar von Bahnchef Hartmut Mehdorn.

Ab Dezember 2005 wird der gesamte Personennahverkehr auf der 240 Kilometer langen Strecke zwischen der Hansestadt und der Insel Sylt für zunächst zehn Jahre von der NOB bewältigt werden. Im Paket enthalten sind zudem die Nebenverbindungen Kiel - Husum - Westerland und Niebüll - Tondern (Dänemark).

Schleswig-Holstein spart künftig viel Geld. 18 Millionen Euro pro Jahr erhält die NOB als Auftragnehmer des Landes, dieses rechnet mit Einsparungen von 143 Mio. Euro über zehn Jahre. Damit solle, kündigte Rohwer an, das Bahn- und Busangebot auf anderen Strecken verbessert werden. Arbeitsplätze gingen nicht verloren, da die NOB Bahn-Mitarbeiter übernehmen würde. Zudem würden an anderer Stelle Jobs geschaffen oder zumindest gesichert, denn die neuen Loks werden bei der Kieler Vossloh GmbH bestellt.

Die NOB kündigte einen „lückenlosen Stundentakt“ mit modernen Niederflurwagen zwischen Westerland und Hamburg zum vergünstigten Schleswig-Holstein-Tarif und in leicht kürzerer Fahrzeit an. Noch unklar ist, ob der Bahnhof Altona oder der Hauptbahnhof Endpunkt sein wird. Mit der Hamburger Verkehrsbehörde werde noch über die Kapazitäten auf der Verbindungsbahn verhandelt. „Am liebsten wäre uns natürlich der Hauptbahnhof“, sagt NOB-Sprecher Bela Bergemann, eine Aufteilung zwischen diesem und Altona sei „aber auch denkbar“.

Die NOB betreibt bereits mehrere Nahverkehrsstrecken im nördlichsten Bundesland zur allgemeinen Zufriedenheit, auch in puncto Pünktlichkeit, Sauberkeit und Service. Nach dem gestrigen Zuschlag für die „Marschenbahn“ steigert sie ihren Anteil am Schienennahverkehr auf 29,1 Prozent, der Anteil der Bahn sinkt auf 47 Prozent. Weitere 16,6 Prozent erbringen S-Bahn und AKN im Hamburger Verkehrsverbund, die restlichen 7,3 Prozent teilen sich Nordbahn und der Flensburg-Express FLEX.

Bei der DB verbleiben wird die lukrativste deutsche Autozug-Verbindung. Den Transport der PKWs von Altona und Niebüll auf die Insel Sylt wird die DB behalten. Auch der Fernverkehr ist von der Entscheidung des Landes nicht betroffen. Die ICEs zwischen Westerland und dem Rest der Republik können weiterhin verkehren. Allerdings ist zurzeit unklar, ob diese Express-Verbindung nach dem Fahrplanwechsel im Dezember 2005 in Hamburg aufrechterhalten bleibt.

Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis jedenfalls hat aus der gestrigen Niederlage immerhin eine Erkenntnis gewonnen: „Das ist eben Wettbewerb.“