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Archiv-Artikel

Chemiker müssen umdenken

Bisher galt der Grundsatz, Öl und Wasser lassen sich nicht mischen. Ein australischer Forscher bewies jetzt: Es geht doch

„Ähnliches löst sich in Ähnlichem“ heißt der Leitsatz, der jedem Chemiestudenten, ja, sogar fast jedem Schulkind vertraut ist. Daraus folgt beispielsweise, dass sich Wasser und Öl nicht ineinander lösen können, weil Öl als hydrophobe, wasserabstoßende Substanz gilt. So müssen Chemiker durch Schütteln des Glaskolbens erst die Kräfte überwinden, die den Öltropfen im Wasser zusammenhalten. Doch wie es scheint, können die Lehrer ihre Lektionen jetzt neu schreiben.

Wie das Wissenschaftsmagazin New Scientist berichtete, hat der Chemiker Ric Pashley von der Australian National University in Canberra mit einem einfachen Experiment die Wissenschaft vom Kopf auf die Füße gestellt: Zunächst untersuchte Pashley ölähnliche Oberflächen im Wasser. Als sich die Öltröpfchen trennten, entdeckte er an ihren Oberflächen winzige, kleine Hohlräume. Hierbei handelte es sich, so vermutete der Chemiker, um kleine Gasbläschen, die aus dem Kontakt mit Wasser herrührten. Daher entfernte er alles Gas aus dem Wasser-Öl-Gemisch: Während er die Probe abwechselnd einfror und auftaute, pumpte er das Gas ab.

Das Experiment zeigte unerwartete Folgen: „Das Gemisch formte urplötzlich eine flockige Emulsion. Ich war so überrascht wie jeder andere auch“, freut sich der australische Forscher. Daraus schloss Pashley, dass das Gas in irgendeiner Weise in die starken hydrophoben Kräfte involviert sei.

James Quirk, Chemiker an der Universität von West Australien in Perth, staunt: „Pashley nimmt die Luft einfach heraus, und sofort wird die weitreichende wasserabweisende Kraft geschwächt. Nun haben wir etwas, an dem wir weitermachen können.“ Dabei hofft Quirk, dass die weitere Forschung dieser „spontanen“ Emulsionen die schwer fassbaren hydrophoben Kräfte in Zukunft erklären könnte.

Doch die Überraschungen nahmen kein Ende: Als Ric Pashley das Gemisch wieder mit Gas versetzte, löste sich die Emulsion nicht auf, sondern verharrte in ihrer Form. Daher schloss der australische Chemiker, das Gas könne die starken hydrophoben Kräfte nur beeinflussen, wenn die Öltröpfchen eng beisammen liegen. Die Ursache nach Pashley: Die Hydroxylgruppen des Wassers haften an den Oberflächen des Öltröpfchens und verhindern auf diese Weise, dass sie wieder zusammenkommen.

Dieses Resultat könnte für viele Bereiche der chemischen und pharmazeutischen Industrie große Vorteile bringen. Denn eine spontane Emulsion, die durch entgastes Wasser erzeugt werden kann, ermöglicht beispielsweise eine preiswertere Herstellung von Emulsionsfarben. Außerdem sind viele injizierbare Medikamente oft nur in Öl löslich und könnten mit diesem neuen Verfahren auch für andere Lösungsmittel ohne Probleme zugänglich sein. Allerdings liegt die genaue Ursache für den neuen Effekt noch im Dunkeln. Weltweit warten Chemiker jetzt darauf, ob Pashleys Experiment reproduziert werden kann. JOACHIM EIDING