Eine „harte Messlatte“ angelegt

Die Koalitionsrunde hat getagt: Sozialhilfeempfänger, Ausländer, Behinderte, Asylbewerber, Drogenabhängige – wer auch immer auf Unterstützung vom Land Bremen angewiesen ist, muss sich in Zukunft auf Einschnitte einstellen

taz ■ Immer auf die Schwachen. Sozialhilfeempfänger, Ausländer, Behinderte, Asylbewerber, Drogenabhängige – wer auch immer auf Unterstützung angewiesen ist, muss sich in Zukunft auf Einschnitte einstellen. Allein im Bereich Soziales will Bremen 8,1 Millionen Euro des 532 Millionen-Etats sparen. Das hat die Koaltionsrunde gestern ausgetüftelt. SPD-Landeschef Detlev Albers sprach von „einschneidenden Veränderungen“, sein CDU-Amtskollege Bernd Neumann sagte, dass die Kürzungen „unverzichtbar und letztlich nicht unsozial seien“. An alle Ausgaben im Sozial- und Arbeitsbereich müsse man eine „harte Messlatte“ anlegen. Vor allem lag Neumann daran, „dem Missbrauch von Sozialhilfe Einhalt zu gebieten“. Dabei ginge es um eine „dreistellige Millionenzahl“, die einzusparen sei.

Deshalb werden in Bremen in Zukunft – wie schon in Bremerhaven – Kontrolleure Sozialhilfeempfänger aufsuchen, um zu prüfen, ob die Personen die in Anspruch genommenen Mittel wirklich brauchen. „Ziel aller Aktivitäten ist es, die Fallzahlen der Empfänger/innen von Sozialleistungen in Bremen deutlich zu senken“, heißt es in einem Koalitionspapier, das einen „Paradigmenwechsel in der bremischen Sozialpolitik“ verspricht. Einem „Missbrauch der Sozialhilfe“ soll durch den Datenabgleich mit der Sozialversicherung und der Bundesanstalt für Arbeit sowie mit KfZ-Zulassungsstellen „entgegengewirkt werden“.

„Zur Verbesserung der Einnahmesituation“, so das Papier weiter, würden zukünftig mehr Sachbearbeiter eingesetzt, die sich auf „Unterhaltseinzug und Kostenerstattung“ spezialisieren. Sozialhilfeempfänger würden stärker zur gemeinnützigen „Prämienarbeit“ herangezogen.

Außerdem werden zukünftig Inkassobüros eingeschaltet, um zum Beispiel Väter, die ihren Unterhalt nicht zahlen, zur Kasse zu bitten. Weiter soll die Übernahme der Umzugskosten genauso gesenkt werden wie die Bekleidungspauschale. Die Eingliederungshilfen für behinderte Menschen sollen „auf den Standard anderer Städte“ reduziert werden. Hier will der Senat mit anderen Ländern eine Bundesratsinitiative starten, „um den immer stärker expandierenden Bereich (Fallsteigerungen bis 2007: 21 Prozent)“ im Rahmen eines Bundesgesetzes neu zu regeln.

Im Bundesrat will Bremen zudem tätig werden, um die Leistungen für Asylbewerber zu senken. Zur Zeit bekommen Bewerber erst nach drei Jahren Gelder in Sozialhilfe-Höhe. Auch die „Möglichkeiten des Senators für Inneres zur Rückführung von Asylbewerbern“ sollen gestärkt werden. Genehmere Zuwanderer sollen künftig stärker nach dem Grundsatz „Fördern und Fordern“ behandelt werden. Wer nicht an „Integrationsmaßnahmen“ (zum Beispiel Sprachkursen) teilnimmt, muss damit rechnen, „entsprechend der gesetzlichen Regelungen sanktioniert“ zu werden. Auch die Ausländerbeauftragte Dagmar Lill wird sanktioniert. „Zur wirksamen Umsetzung des Integrationskonzepts und zur Erzielung von Synergieeffekten“ wird sie dem Innensenator angegliedert, heißt es in dem Koalitionspapier. Von Zuwendungen im Ausländerbereich sollen die Mittel auf Selbsthilfe- und Integrationsprojekte „konzentriert“ werden. „Die Zuwendungen an die übrigen Projekte werden um 25 Prozent reduziert.“

Auch den Kranken geht es an die Geldbörse. Das Landespflegegeldgesetz soll abgeschafft werden. Die Behindertenfahrdienste sollen „bis auf Härtefälle“ reduziert werden. Die Erziehungsberatung wird mit dem Schulpsychologischen Dienst „fusioniert“ und auf vier Standorte reduziert – so viele bleiben auch den Drogenberatungsstellen.

Aber: Es gibt nicht nur Kürzungen. So soll sich die Neubürgeragentur mit einem „Modul 60 plus“ verstärkt um Senioren kümmern, die nach Bremen ziehen wollen. Außerdem soll es eine „Innovationszone“ in Bremen geben, in der verkürzte Planungszeiten für Neubauten oder längere Ladenöffnungszeiten gelten. Dafür muss der Bund aber erst eine rechtliche Möglichkeit eröffnen.

Kai Schöneberg