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Archiv-Artikel

Neue Lokomotiven kosten Arbeitsplätze

Spekulationen um massenhafte Stellenstreichungen bei der Bahn AG. Kritiker fordern: Mehr Züge fahren lassen

BERLIN taz ■ Die Bahn wird ihr Personal auch in Zukunft weiter reduzieren. Das bestätigte Konzernsprecher Werner Klingberg gestern der taz. Zwar gebe es „keine konkreten Pläne für einen Stellenabbau“. Es sei aber „logisch“, dass die geplanten Milliardeninvestitionen der Bahn in neue Loks, Waggons und Stellwerke auch Auswirkungen auf den Personalbestand hätten. Klingberg: „Sonst würde unser ganzes Investitionsprogramm keinen Sinn machen.“

Bahnchef Hartmut Mehdorn hatte am Donnerstag in London einen möglichen Personalabbau von 10 bis 20 Prozent in den nächsten Jahren in Aussicht gestellt – bis zu 42.000 Stellen weniger. In ihrer internen Mittelfristplanung hatte die Bahn nach Gewerkschaftsangaben bisher nur einen Abbau von 37.000 Stellen bis 2007 vorgesehen. Der Sprecher der Bahngewerkschaft Transnet, Michael Klein, bezeichnete schon diese Pläne als „völlig überzogen und realitätsfremd“. Derzeit beschäftigt die Bahn AG (ohne Stinnes-Konzern) noch rund 210.000 MitarbeiterInnen, fluktuationsbedingt nimmt ihre Zahl pro Jahr um bis zu 8.000 ab.

Bahn-Sprecher Klingberg sagte, die Personalkosten des Konzerns könnten auch auf andere Weise gesenkt werden, etwa durch veränderte Regelungen bei Arbeits-, Pausen- und Wartezeiten. Die Bahnangestellten „müssen dann für dasselbe Geld vielleicht ein bisschen mehr arbeiten“. Man könne lediglich „hoffen, dass es keinen Personalabbau gibt“, heißt es beim Betriebsrat.

Der Bahn-Sprecher machte die hohen Personalkosten dafür verantwortlich, dass die Bahn bei Ausschreibungen immer mehr Strecken an Mitbewerber verliert. Die Löhne der Konkurrenz lägen zum Teil um bis zu 30 Prozent unter denen der Bahn. „Ablenkungsmanöver“, urteilt Transnet-Sprecher Klein. Zwar gebe es im Regionalverkehr Mitbewerber, die niedrigere Löhne zahlten als die Bahn. Strecken verliere der Konzern aber auch, weil sein Dienstleistungsangebot hinter dem der Konkurrenz zurückbleibe. Der Sprecher des größten Bahn-Konkurrenten Connex betonte: „Alles in allem sind die Löhne vergleichbar.“ Die Bahn habe aber mehr Beschäftigte in der Verwaltung.

Mit den Gewerkschaften hat die Bahn vereinbart, bis Ende 2004 keine betriebsbedingten Kündigungen vorzunehmen. Man sei „guter Hoffnung“, diese Regelung bis 2007 verlängern zu können, sagte Klingberg. Gespräche darüber hat es Transnet zufolge aber noch keine gegeben.

Der grüne Verkehrsexperte Albert Schmidt hält die von Mehdorn losgetretene Debatte um weiteren Personalabbau für ein „falsches Signal“. Bei Service, Sicherheit und Sauberkeit würden weitere Einsparungen unweigerlich „den Unmut der Kunden erwecken“. Im technischen Bereich gebe es zwar noch Effizienzreserven. Statt über Personalabbau nachzudenken, solle der Konzern sich aber besser darum kümmern, mehr Fahrgäste und Güter zu transportieren. Das mache jeden Personalabbau überflüssig. ARMIN SIMON