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Archiv-Artikel

Good guy and bad guy

Markus Löning ist nach dem Abgang von Günter Rexrodt neuer Vorsitzender der Berliner FDP.Der eigentliche Frontmann und Scharfmacher der Liberalen aber ist Fraktionschef Martin Lindner

VON STEFAN ALBERTI

Es muss ein komisches Gefühl sein, Chef eines Landesverbands zu werden und doch nur zweiter Mann zu sein. Markus Löning (43) hat es am Samstag beim FDP-Parteitag erlebt. Nicht zahlenmäßig. Die 85 Prozent, die er bei seiner Wahl erhielt, hat sein Vorgänger Günter Rexrodt (62) nie auch nur annähernd bekommen. Doch vor Löning hatte ein anderer Mann gesprochen und die Partei mitgerissen; Fraktionschef Martin Lindner (40). Der wird auch weiter den Lautsprecher der Partei geben. Und nicht der vormalige Vize und jetzige Parteichef Löning, sondern er soll zukünftig die Berliner FDP im Bundesvorstand vertreten.

Nicht dass sich Löning keine Mühe gegeben hätte, seine Partei gleichfalls zu begeistern. Zehn Seiten Redetext liegen vor ihm, als er ans Redepult geht. Er liest nicht nur ab, er variiert. Doch ihm fehlt die rhetorische Begabung Lindners. Bei Seite sieben merkt auch er, wie das Gemurmel unter den 350 Delegierten lauter wird. In solchen Fällen hilft nur Kürzen. So fällt die rührende Passage über einen Kranfahrer und Vater von sieben Kindern weg, mit der Löning, selbst dreifacher Vater, eine bei der FDP unterbelichtete Familienpolitik erhellen wollte. Ein Satz wie „Es ist doch ein Skandal, dass eine Familie wegen ihrer Kinder keine Wohnung bekommt“ könnte auch von der PDS kommen.

Auch Lindner hat zwei Kinder, aber wenn er von Sozialpolitik spricht, hört sich das so glaubhaft an wie ein Titanic-Text. Löning, das ist der weichere, der ausgleichende Part, der good guy. Lindner, das ist der Provokateur, der sich um keine Political Correctness schert, Ausführungen der SPD-Haushaltsexpertin als „Märchenstunde bei Tante Iris“ abtun und PDS-Mann Flierl als „Puddingsenator“ bezeichnen kann. Der aus Abteilung Attacke. Jüngstes Beispiel am Samstag zu Rot-Rot: „Es ist der schlechteste Senat seit Kriegsende. Er besteht nur noch aus Buchhaltern, politischen Leichtgewichten und Schwächlingen.“

Er mache keinen Hehl daraus, dass er sich selbst überlegt habe, sich zu bewerben, sagt Lindner vor den Delegierten. Doch warum sollte er das tun? Er kann nach einer Verabredung mit Löning auch so prestigeträchtig im Bundesvorstand sitzen und wieder einmal Parteichef Guido Westerwelle angehen. Löning, seit 2002 Bundestagsabgeordneter, bleibt die Kärrnerarbeit, einen nach Jahren der Selbstzerfleischung wieder einigermaßen geeinten Landesverband ruhig zu halten.

Abseits seiner Brachialkritik spricht sich Lindner für eine neue Strategie aus. Die Liberalen würden zu sehr als „Weniger“-Partei gelten: weniger Staat, weniger Regulierung, weniger Kontrolle. Das sei zwar richtig, doch Lindner will mehr die vermeintlichen Vorteile von FDP-Politik herausstellen: „Wir müssen weniger als Abrissunternehmer und mehr als Architekten wahrgenommen werden.“

Beim Abgang des Mannes, dem Lindner wie Löning ihre Posten zu einem Gutteil verdanken, zeigt sich die Partei versöhnlich. Noch vor zwei Jahren hat sich Günter Rexrodt nur mit knapper Mehrheit von 55 Prozent gegen seinen in der Partei nur mäßig beliebten Kritiker Peter Landauer durchsetzen können. Jetzt geben ihm die Delegierten gut zwei Minuten stehend Beifall, kritische Fragen bleiben aus.

Auch ein von ihm gefördertes Positionspapier zu mehr bürgerschaftlichem Engagement findet breite Zustimmung. 2006 wird es wieder strittiger zugehen. Dann bestimmt die FDP ihre Bundestagskandidaten. Und dann will Löning sich nicht auf Platz 2 verdrängen lassen, auch nicht von Rexrodt.