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Archiv-Artikel

nebensachen aus astana Wie sich ein Präsident in der kasachischen Steppe ein Denkmal setzt

Tamerlan hatte zwei große Leidenschaften: fremde Länder zu erobern und zu bauen. Wo der Nachfahre Dschingis Khans siegte, errichtete er große Pyramiden mit den abgeschlagenen Köpfen der Besiegten, zu Hause hingegen großartige Bauten. Seine Hauptstadt Sarmarkand und seine Geburtsstadt Schachrisabs, beide heute in Usbekistan, machte er zu zwei der schönsten Städte des 14. Jahrhunderts. Er baute mit solcher Wut, dass die Gebäude schon unter seinem Sohn stürzten. Andere schleiften die nächsten Despoten. Als nach Lenins Sturz eine Menge Podeste frei wurden, stellte Usbekistan Tamerlan darauf.

In Kasachstan musste der Präsident Nursultan Nasarbajew seine Anhänger daran hindern, Statuen von ihm selbst auf die Podeste zu stellen, wie er vor kurzem dem Wall Street Journal erzählte. Das einzige Denkmal für ihn und seine „praktische Art“, sagte er, werde die neu gebaute Hauptstadt Astana sein. „Ich bin der Architekt. Ich habe jedes Haus entworfen und sogar die Farbe ausgesucht.“

Das ist nicht wahr. Aber es lässt tief blicken. Denn das neue Regierungsviertel in Astana ist so erschlagend monumental angelegt und gleichzeitig voll von kindlich verspielter Symbolik, dass es genauso ein junger Mann in der schwierigen Phase der Pubertät geplant haben könnte.

Per Dekret verlegte Nasarbajew 1997 die Hauptstadt von Almaty in das in Astana umbenannte Akmola im Zentrum des Landes. Seitdem wird dort frenetisch gebaut. Das neue Regierungsviertel liegt etwas außerhalb der Stadt – in der Steppe. Sein Hauptgliederungsprinzip ist eine lange, schnurgerade Achse mit dem Präsidentenpalast an einem Ende sowie dem Block der staatlichen Ölgesellschaft am anderen. Da Kasachstan in zehn Jahren voraussichtlich zu den fünf größten Erdölexporteuren der Welt gehören wird, erscheint das nicht ganz unpassend.

Genau im Zentrum der Achse steht eine große Glaskugel auf einem über hundert Meter hohen Metallgestänge, von den Leuten in Astana nach der Form eines beliebten Kinderlollis „Chupa Chups“ getauft. In der Glaskugel steht ein Denkmal aus 6 Kilogramm Silber und 2 Kilogramm Gold, in dem ein Handabdruck Nasarbajews eingelassen ist. Er hat dort geschworen, für Frieden und Wohlstand in Kasachstan zu sorgen. Außerdem werden dort die Unterschriften von 17 Weltreligionsführern aufbewahrt, die er 2003 zu einer Konferenz nach Astana eingeladen hat. Und jenseits des Präsidentenpalastes, in der „Kathedrale der vier Weltreligionen“, werden die vier kasachischen Weltreligionsführer ein Büro bekommen.

Da die zentrale Achse vom Öl- zum Präsidentenpalast jedoch stolze 2,6 Kilometer misst, ist an ihr entlang noch viel Platz. So kam das Regierungsviertel an seiner Südecke zu seiner Gemischtwarenabteilung. Von einem arabischen Scheichtum gespendet, steht dort eine riesige „Tausendundeine Nacht meetsStahlbeton“-Moschee. Daneben, direkt an der Autobahn zum Flughafen, ein Herzzentrum – gebaut von der Bin-Laden-Gruppe, und ein Notfallhospital.

Viele der Gebäude im neuen Regierungsviertel sind auf Pump gebaut. Die ausländischen Kredite haben jedoch lange Laufzeiten, sodass sie erst fällig werden, wenn Nasarbajew nicht mehr dafür verantwortlich zu machen ist, was möglicherweise noch von Vorteil sein wird. „Dass in Astana so schnell gebaut wird, dass die Statik leidet, ist bekannt“, sagt ein westlicher Diplomat. Und der Architekt, der bis vor kurzem noch an der Planung beteiligt war, bemängelt: „Keiner prüft, ob die Arbeiten sorgfältig ausgeführt werden.“ Im vergangenen Herbst fiel im Regierungsviertel das Dach einer Schule in sich zusammen. Nichts ist für die Ewigkeit. Das mussten Tamerlans Erben schon mal feststellen. PETER BÖHM