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Archiv-Artikel

Viele schwarze Schafe auf Zypern

Die griechischen Inselbewohner haben sich mit ihrem deutlichen Nein zur Wiedervereinigung wenige Tage vor dem EU-Beitritt keine Freunde geschaffen

AUS NIKOSIA KLAUS HILLENBRAND

Sie werden nicht in der Hölle schmoren. Mit der unerquicklichen Aussicht auf Verdammnis hatte der erzkonservative Bischof von Kyrenia seinen zyperngriechischen Schäfchen gedroht, sollten sie es wagen, die Gründung der „Vereinigten Republik Zypern“ mehrheitlich zu befürworten. Doch das nationalistische Sperrfeuer der letzten Wochen hat dafür gesorgt, dass die Griechen mit überwältigender Mehrheit dem UN-Plan zur Wiedervereinigung Zyperns am Samstag eine deutliche Abfuhr erteilten: 75,8 Prozent der Bevölkerung stimmten bei dem Referendum mit Nein.

Fast ebenso eindeutig fiel das Ergebnis auf der türkischen Seite aus. Dort befürworteten umgekehrt fast 65 Prozent den UN-Plan vom vereinten Zypern, während 35 Prozent ihre Zukunft lieber in zwei getrennten Staaten sehen.

Zwar beeilte sich der zyperngriechische Präsident Tassos Papadopoulos, zu betonen, man sei weiter offen für Gespräche und die Ablehnung beziehe sich nur „auf die vorliegende Lösung“. Doch eine von der Linken ins Spiel gebrachte Wiederholung des Referendums gilt angesichts des eindeutigen Ergebnisses als vorläufig ausgeschlossen. Neue Verhandlungen gar, mit denen Papadopoulos seinen Landsleuten die Ablehung des UN-Plan schmackhaft gemacht hatte, sind nach Angaben aus diplomatischen Kreisen in Nikosia für dieses Jahr mit Sicherheit nicht zu erwarten.

Auf zyperntürkischer Seite machte Ministerpräsident Mehmet Ali Talat aus seiner Enttäuschung keinen Hehl: „Unsere Erwartungen waren ein Ja auf beiden Seiten und damit ein Ende des Zypernkonflikts. Ich bin sehr traurig.“

Vier Jahre lang hatten die Vereinten Nationen zusammen mit den zypriotischen Konfliktparteien und zuletzt auch mit Hilfe Griechenlands und der Türkei auf die Wiedervereinigung hingearbeitet, hatten Pläne und Vorschläge befürwortet und verworfen, bilaterale und vierseitige Verhandlungen geführt. In seltener Einmütigkeit unterstützten die EU wie die USA die Bemühungen von UN-Generalsekretär Kofi Annan und seines Sonderbotschafters für Zypern, Alvaro de Soto. Alle diese Anstrengungen sind nun für die Katz: Der so genannte Annan-Plan ist seit Samstag abend null und nichtig. Das UN-Büro in Nikosia zur Lösung des Konflikts wird in Kürze geschlossen. Annan sprach von einer „einmaligen und historischen Chance“, die die Zyprioten ausgelassen hätten. Von Brüssel bis Washington schlossen sich die internationalen Akteure dieser Einschätzung an.

Tatsächlich hat die einseitige Ablehnung der Staatsgründung alle Pläne zur Konfliktlösung um Jahre zurückgeworfen und die Europäer in ein Dilemma gebracht, aus dem es keinen leichten Ausweg gibt. Die griechische Republik Zypern wird ab dem 1. Mai Mitglied der EU, während der türkische Norden nicht nur ausgesperrt bleibt, sondern weiterhin völkerrechtlich als „türkisch besetztes Gebiet“ gilt. Damit aber hält ein voraussichtlicher EU-Kandidat, die Türkei, ein Teil der Territoriums der Union besetzt. Zwischen der Republik Zypern und der Türkei bestehen überdies keinerlei diplomatischen Beziehungen, formal befinden sich beide Länder immer noch im Kriegszustand von 1974.

Die EU-Außenminister werden heute in Luxemburg zunächst spezielle Regularien für den Reiseverkehr zwischen Nord- und Südzypern beschließen. Die von UN-Friedenstruppen überwachte „Green Line“ soll faktisch nicht zur EU-Außengrenze mutieren, Personen- und Warenbewegungen im kleinen Grenzverkehr sollen weiterhin möglich sein.

In Brüssel wie in Washington ist man sich zudem einig, dass man die Zyperntürken für die jetztige Situation nicht auch noch bestrafen kann. Schon in den nächsten Wochen wird die EU deshalb 250 Millionen Euro zur wirtschaftlichen Entwicklung Nordzyperns freigeben, die ursprünglich nur für den Beitrittsfall vorgesehen waren.

Zudem ist damit zu rechnen, dass die EU und die USA große Teile der bisher bestehenden Handelsrestriktionen gegenüber Nordzypern aufheben werden. Das betrifft etwa das Verbot von Nonstopflügen, unter dem besonders der Tourismus im Norden leidet, während der Süden von jährlich rund 2,5 Millionen Urlaubern besucht wird.

Eine diplomatische Anerkennung der „Türkischen Republik Nordzypern“ wird dagegen nur von einigen islamischen Staaten erwartet. Das eng mit der Türkei liierte Aserbeidschan hat einen solchen Schritt bereits angekündigt. Nordzyperns Ministerpräsident Talat machte deutlich, dass man weiter auf eine Wiedervereinigung der Insel setzt. Zugleich erklärte er, dass die Außenpolitik seines Landes keineswegs Angelegenheit von Präsident Rauf Denktasch sei, der am Samstagabend einmal mehr die endgültige Teilung der Insel befürwortet hatte.

Die griechischen Zyprioten aber werden nun zum schwarzen Schaf in der EU. Selbst Griechenland ließ durchblicken, dass man die griechisch-türkischen Beziehungen nicht länger vom Abbau der Barrikaden an der Green Line in Nikosia abhängig machen will. Präsident Tassos Papadopoulos hat sein Land in die Isolation geführt. Seine Amtszeit beträgt noch dreieinhalb Jahre. Es wird sich so schnell niemand finden, der mit ihm verhandeln möchte.