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Archiv-Artikel

KLEINKRIEG IM IRAK? DARAUF IST DIE US-ÖFFENTLICHKEIT NICHT VORBEREITET Mission NOT completed

Ende April landete der oberste US-Feldherr George W. Bush im Kampfjet auf einem Flugzeugträger und verkündete das Ende des Irakkrieges. „Mission erfüllt“, stand in großen Lettern auf einem riesigen Plakat im Rücken des Präsidenten. Doch weit gefehlt: Heute tobt im Zweistromland ein immer heftiger werdender und immer besser organisierter Guerillakrieg gegen die Besatzungsmächte. Fast täglich sterben US-Soldaten. Einige mutige Fernsehkommentatoren sprechen bereits wieder von Krieg. Das Pentagon steckt in Erklärungsnöten. Doch den Präsidenten scheint das nicht zu stören. Er erholt sich von den Strapazen seines Nahost-Engagements auf dem Sommersitz der Familie in Neuengland, tourt durch die Lande und macht Wahlkampf. War da was in Bagdad?

Afghanistan lässt grüßen. Nach einer kurzen, für die US-Streitkräfte relativ unblutigen Schlacht wird die Befreiung erklärt und sich dann entweder dem nächsten potenziellen Militäreinsatz oder dem Wahlkampf zu Hause gewidmet. Wer interessiert sich noch dafür, dass in Afghanistan weiter Chaos und Anarchie regieren? Dass das Land weit entfernt ist von Stabilität? Dass der vollmundig versprochene Wiederaufbau bislang ausgeblieben ist? Und dass Bedingungen reifen, die einst die Taliban zur Macht greifen ließen? Die Warnsignale von Experten finden im Weißen Haus kein Gehör. Das Land am Hindukusch ist schlichtweg vergessen. Auch in der US-Öffentlichkeit.

Dieses Schicksal dürfte dem Irak schon aufgrund seiner strategischen und wirtschaftlichen Bedeutung erspart bleiben. Dennoch existiert ein dramatisches Missverhältnis zwischen der innenpolitischen und medialen Aufmerksamkeit vor und während des Hauptkrieges und dem Umgang mit der neuen Situation eines möglicherweise zähen Kleinkrieges. Selbst die einst so laute Friedensbewegung ist verstummt. Auch sie hat den neuen Konflikt im Irak ausgeblendet. Amerika hält große Stücke auf die checks and balances seiner Demokratie. Doch auf die Rolle als Korrektiv in Zeiten einer hegemonialen Außenpolitik ist die US-Öffentlichkeit unvorbereitet. MICHAEL STRECK