: Angst vor blau-gelber Gurkentruppe
Bietet Rot-Grün in NRW ein „Bild der Handlungsunfähigkeit und Inkompetenz“? Ministerpräsident Peer Steinbrück wettert auf dem SPD-Landesparteitag mal wieder gegen die Grünen. Allein, er vergisst die Basis: Die Genossen scheuen die Alternative FDP
aus Köln PASCAL BEUCKER
Christoph Zöpel steht die Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben. Zwei Stunden hatte der Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD über die angeschlagene rot-grüne Koalition in Düsseldorf debattiert. Aufmerksam folgte der langjährige Landesminister und heutige Bundestagsabgeordnete den Ausführungen des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten, um einen Weg aus der Krise zu erkennen. Doch der blieb ihm verborgen: „Peer Steinbrück hat sich in eine schwierige Lage gebracht“, sagt Zöpel vorsichtig, als er am Samstagnachmittag die Bochumer RuhrCongress-Halle verlässt.
Auch nach ihrem Parteitreffen ist völlig unklar, wohin die SPD an Rhein und Ruhr steuert. Zwar gaben die 433 Delegierten fast einstimmig ihrer Parteiführung freie Hand für den „ergebnisoffenen Klärungsprozess“ mit dem grünen Koalitionspartner. Aber gleichzeitig machten sie deutlich, dass sie keine Alternative zu dem bestehenden Regierungsbündnis sehen.
So fasste der Parteitag einen Beschluss, der widersprüchlicher kaum sein könnte. Denn einerseits heißt es darin, dass sich ein Weiter-so verbiete, die SPD-Unterhändler müssten im rot-grünen Koalitionsausschuss „klare sozialdemokratische Prioritäten“ setzen. Andererseits jedoch beschloss die Parteibasis: „Ziel bleibt eine wirtschaftliche, soziale und ökologische Erneuerung unseres Landes.“ Diesen Satz, der in der Antragsvorlage des Landesvorstandes noch nicht stand, fand auf Antrag des Dortmunder Unterbezirks seinen Weg in das Beschlusspapier. Auch dass Steinbrücks Positionspapier „Bündnis für Erneuerung – Aufbruch für NRW“ die Basis für Gespräche mit den Grünen sein soll, vereitelten die Dortmunder. Nun ist es nur noch „eine Grundlage“.
Daran zeigt sich, wie tief verunsichert die Landespartei über den Kurs ihres Ministerpräsidenten ist. So forderte SPD-Landesvorstandsmitglied Dietmar Köster unter Beifall: „Wer das Bündnis in Frage stellt, muss sich die Frage nach der Alternative gefallen lassen.“ Wie er fürchten viele, dass Steinbrück die SPD mit seinem Crashkurs in die Arme der Liberalen treibt – doch genau dahin wollen sie nicht. So warnten denn auch fast alle Redner in der Aussprache nach den Reden von Steinbrück und Parteichef Harald Schartau nachdrücklich vor einem Zusammengehen mit der „gelb-blauen Gurkentruppe“, wie ein Delegierter sagte. Ein „Schrumpfmodell“ sei das, betonte der Chef der nordrhein-westfälischen Jusos, Marc Herter.
Doch genau darauf scheint Steinbrück zuzusteuern. An seinem Koalitionspartner ließ er kein gutes Haar. So schilderte Steinbrück mit drastischen Worten den Zustand von Rot-Grün: „Immer weniger Bürger trauen der rot-grünen Regierungskoalition in dieser Aufstellung zu, die tiefgreifenden Probleme dieses Landes zu lösen.“ Zwar sei jeder einzelne Konfliktpunkt mit den Grünen in den vergangenen Monaten für sich unverständlich oder kaum vermittelbar. „Aber die Addition dieser Puzzlesteine ergibt ein Bild der Handlungsunfähigkeit und Inkompetenz.“ Es könne nicht länger hingenommen werden, dass in der Regierung eine „Teilopposition“ sitze, die nur Klientelpolitik betreibe, sagte Steinbrück – offensichtlich mit Blick auf die Grünen.
Ohne sie namentlich zu erwähnen, schoss sich der Regierungschef dabei auf Landesumweltministerin Bärbel Höhn ein. Die Spitzen gegen die Grüne zogen sich durch seine Rede. Steinbrücks Quintessenz: Der SPD drohe der Absturz, wenn jetzt nicht entschlossen gegengesteuert werde. Er versuchte die Genossen bei ihrer roten Ehre zu packen: „Wir haben als Trägerinnen und Träger sozialdemokratischer Geschichte nicht das Recht, mit unserem Gestaltungsauftrag zu spielen nach der Melodie: Es wird schon gut gehen.“ Was jetzt notwendig sei: „Wir brauchen in Düsseldorf mehr Rot pur.“