: Wenn die Sterne untergehen
Mit dem Versprechen, David Beckham zu holen, gewinnt Joan Laporta die Präsidentenwahl beim FC Barcelona, doch angesichts leerer Kassen in der kriselnden Liga dürfte der Brite eher bei Real landen
aus Madrid REINER WANDLER
Der FC Barcelona hat einen neuen Präsidenten. Joan Laporta gewann die Wahlen am Sonntag mit 52,7 Prozent der abgegebenen Stimmen. Den Rest teilten sich die anderen fünf Kandidaten. „Ich werde den Club wieder in die Weltklasse führen“, verspricht der Mann, der einst die Opposition gegen den langjährigen Präsidenten Josep Lluis Nuñez anführte. Ein Versprechen, das begeistert. Seit vier Jahren holten die Blau-Roten keinen Titel. Schlimmer noch, unter dem Nuñez-Nachfolger Gaspart sank der Club lange Wochen in die Abstiegszone ab. Einen Spieltag vor Ende der Saison steht noch immer nicht fest, ob sie den Sprung in den Uefa-Pokal schaffen.
Laporta weiß, Fußball lebt von großen Namen. Und er hat auch schon sein Objekt der Begierde. Mitten im Wahlkampf überraschte er mit der Nachricht, David Beckham könnte schon in der nächsten Saison das Barça-Trikot tragen. Darüber konnte sich Laporta mit der Vereinsspitze von Manchester United einigen. Doch bleiben zwei Faktoren, die ihm einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Der erste heißt Real Madrid. Florentino Pérez, Präsident des Klubs, der nach seinem 4:0 gegen den Lokalrivalen Atlético wieder an der Spitze steht und beste Chancen auf den Titel hat, will Beckham ebenfalls. Und Real ist für den Engländer allemal attraktiver als der krisengeschüttelte FC Barcelona. Wie hoch der Preis schließlich sein wird, weiß noch keiner. Sicher wird es eine Rekordsumme. Zidane kostete 70 Millionen Euro, Beckham wird kaum für weniger zu haben sein.
Und genau da hat Laporta sein zweites Problem. Außer bei Real Madrid schauen alle Kassenwarte besorgt auf die Konten. Das gilt auch für den sich kauffreudig gebenden FC Barcelona. 200 Millionen Euro groß ist das Loch. Was die Finanzen angeht, gehören die Blau-Roten längst zur ganz normalen spanischen Fußballmittelklasse. 1,625 Milliarden Euro Schulden weist der spanische Profifußball – erste und zweite Liga zusammen – offiziell aus. Der Gesamthaushalt aller Klubs belief sich im letzten Jahr auf 1,25 Milliarden Euro. So mancher Präsident vertröstet seine Spieler seit Monaten, wenn es um das Gehalt geht. „Die Liga der Stars im Bankrott“, titeln dieser Tage immer wieder die Sportseiten.
„Trotz neuer Einkünfte wussten die Klubs nicht mit dem Geld umzugehen, um ihre Struktur zu sanieren“, heißt es in einem Bericht der Beraterfirma Deloitte & Touche, die sich seit Jahren mit verschiedenen Fußballligen beschäftigt. Umso schlimmer wird es jetzt, da die Einkünfte knapper werden. Wie im restlichen Europa auch, gehen die Einnahmen für Fernsehrechte zurück. Die Zeiten der „digitalen Seifenblase“, in der das Geld nur so floss, sind vorbei. Die zwei Pay-TV-Sender haben sich zusammengeschlossen. Mangels Konkurrenz wird der Betrag für Fernsehrechte von 300 auf 200 Millionen Euro für fünf Jahre schrumpfen. Dies ist vor allem für die kleinen Klubs eine Katastrophe, denn über die Hälfte des Betrags ist bereits fest aufgeteilt. Real Madrid, FC Barcelona und Atlético Madrid haben 54, 50 bzw. 18 Millionen für sich ausgehandelt.
Die leeren Kassen der Vereine machen sich im Geschäft mit den Spielern bemerkbar. Vor einigen Jahren gaben die Klubs alleine für die Nachbesserung ihrer Mannschaften zur Liga-Halbzeit an Weihnachten 60 Millionen Euro aus. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 24 Millionen und zuletzt gerade noch drei. Diese Marktentwicklung bekommen auch wieder die Kleinen zu spüren. Viele nutzten Spielerverkäufe, um die Bücher noch schnell in den schwarzen Bereich zu heben. Damit ist es jetzt erst mal vorbei. Die Folgen könnten verheerend sein. Elf der 20 Erstligisten geben 90 Prozent der Einnahmen für die Mannschaft aus, bei fünf Klubs sind es gar mehr als 100 Prozent, und bei vier sind es über 130 Prozent.
„Wir müssen das Produkt Fußball optimieren“, meint Ligapräsident Pedro Tomás. Dabei soll der Staat helfen. Am 24. April schrieb der Ligaausschuss einen Brief an Vizeregierungschef Mariano Rajoy. Gefordert wurden mehr Geld aus der Fußball-Lotterie und die Abschaffung des Gesetzes, dass die Liga verpflichtet, mindestens ein Treffen pro Spieltag im offenen Fernsehen auszustrahlen. „Wenn dies wegfällt, sind die Übertragungsrechte mehr wert“, ist sich Tomás sicher.
Dabei sind sich die Klubs keineswegs einig. Durch die Sondervereinbarungen von Real, Atlético und Barcelona über den Verkauf von Fernsehrechten an zahlungskräftige Regionalsender ist eine Zweiklassengesellschaft entstanden, wie sie sonst nirgends in Europa besteht. Während in England die Spitzenteams zweieinhalbmal so viel Fernseheinnahmen verbuchen wie die Kleinen, ist das Verhältnis in Spanien 13:1.
Die großen Klubs denken freilich nicht daran, ihre Privilegien aufzugeben. Sie träumen vielmehr von einer verkleinerten Liga mit 14 oder 16 statt bisher 20 Mannschaften. Das würde die Attraktivität der Spiele und damit die Einnahmen im Bezahlfernsehen steigern, rechnen sie vor.
Ein heißer Verhandlungssommer zeichnet sich ab. Die Liga mit den Fernsehanstalten, die Liga mit der Regierung, die Klubs untereinander. Juan José Hidalgo, Präsident von UD Salamanca, übt sich schon mal in Resignation: „Die meisten Vereine sind absolut ruiniert, warum sollen wir im Herbst überhaupt spielen, wenn wir nicht einmal das Geld für die Stromrechnung haben.“