Der Fall der Farbe Orange

Die CDU will mit der „Akzentfarbe Orange“ die „emotionale Dimension ansprechen“. CDU-General Laurenz Meyer findet das „total in“. Die einstige Trendfarbe ist somit endgültig den Bach runter

VON STEFAN KUZMANY

Sie haben es sicher auch schon bemerkt. Irgendwie sieht sie jetzt wärmer aus, freundlicher. Als Angela Merkel jüngst einmal mehr die verdruckste Haltung ihrer Partei zum Irakkrieg erklären musste, da war es, als habe der Frühling auch in Merkels sonst eher sauertöpfischem Gesicht Einzug gehalten.

Angela Merkel strahlt

Sie strahlt so komisch von innen, wirkt erleuchtet, offen und gesellig. Fast schon wählbar. Und dieser helle Glanz auf ihrer Haut … Haben Sie den nicht bemerkt? Nein? Wir auch nicht. Sollten wir aber. Denn die CDU kleidet sich seit einiger Zeit, und verstärkt nun in ihrer Kampagne zum Europa-Wahlkampf, in der „Akzentfarbe“ Orange.

Per Broschüre wurden sämtliche Parteigliederungen von Generalsekretär Laurenz Meyer bereits im Dezember dazu aufgefordert, künftig die neue Farbe und auch einen leicht veränderten Schriftzug für sämtliche Plakate, Briefe und Visitenkarten zu verwenden: „Wir alle wissen, wie wichtig Erkennbarkeit und Unverwechselbarkeit in der öffentlichen Kommunikation sind.“ Orange, hat die CDU herausgefunden, wird noch von keiner anderen Partei verwendet. Was die eigenen politischen Inhalte nicht schaffen, soll jetzt die Farbe besorgen: Endlich kann man sich deutlich von den anderen abheben!

Dazu bietet Orange, so die Werbestrategen der Partei, „die Möglichkeit, auch über die emotionale Dimension stärker anzusprechen“. Erstmals wurde Orange im Hamburger Wahlkampf eingesetzt, jetzt will die CDU damit die Europawahl gewinnen.

Nun könnte man es sich leicht machen und sagen: Orange, das ist doch die Müllabfuhr. Aber damit täte man dem schönen Farbton Unrecht. Dieser stammt ursprünglich aus Indien, machte einen Umweg über Arabien und kam mit den Kreuzfahrern nach Europa. Im Buddhismus ist Orange die Farbe der höchsten Stufe der menschlichen Erleuchtung, in Indien gilt sie als Idealisierung der dort verbreiteten Hautfarbe. Und hierzulande (Achtung! Großer Zeitsprung!) hat sie sich jüngst als Mode- und Trendfarbe etabliert. Nun ja, jüngst? In Mode war Orange vor ungefähr fünf Jahren. Dass man heute immer mehr Menschen mit orangenen Jacken, Hosen, T-Shirts, Schuhen, Taschen und/oder Socken auf den Straßen sieht, liegt wohl daran, dass die Kleiderschränke von damals noch gut gefüllt sind. Oder daran, dass Trends erst dann, wenn sie schon lange wieder out sind, ihre größte Breitenwirkung entfalten. Weil das so ist, stirbt beispielsweise die gerade auf der Kippe stehende Love Parade von Berlin schon seit Jahren einen so langsamen wie unschönen Tod. Wenn jeder, also beispielsweise auch der Senat von Berlin, einen Trend kennt und mitmachen will, ist er längst vorbei. Laurenz Meyer hingegen findet Orange jetzt „total in“.

Als das ZDF Mitte 2001 seinen Schriftzug in „2DF“ änderte und sein Logo in ein sattes Orange tauchte, konnte man spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von einer modernen Farbe sprechen: Was hätte auch so ein Ton im Fernsehen für die ältere Generation verloren? Insofern ist Orange eine gute Wahl für die CDU: Die Farbe drückt mittlerweile eine konservative Gesinnung aus.

Warm, dabei billig

Auch sonst könnte speziell die Parteichefin Angela Merkel vom neuen Anstrich nur profitieren: Farbberater assoziieren mit Orange das Lustige, das Vergnügen, die Geselligkeit, den Genuss, die Energie, die Wärme und den Wandel – als just das Gegenteil dessen, was man bisher mit der Union und ihrer Vorsitzenden verbunden hätte. Allerdings drohen auch negative Assoziationen: Billig, heißt es, wirke Orange, aufdringlich und angeberisch. In manchen Fällen wird vor Orange gar ausdrücklich gewarnt: „Tragen Sie Orange nur, wenn diese Farbe eine Ihrer besten ist, und dann in wohlüberlegten Dosierungen.“

Während sich über die Frage der Dosierung bei der CDU streiten lässt (schließlich bleiben „CDU-Rot“, Blau und Schwarz weiter im Spektrum der Parteiwerbung), sollte die zweite Warnung der auf Wirtschaftskompetenz bedachten Partei schon eher zu denken geben: „Orange ist keine Geschäftsfarbe!“ Und merke auch: „Orange für sich wirkt niemals elegant.“

Die größte Gefahr der politisch-farblichen Peinlichkeit droht der CDU dabei einmal mehr von Seiten der CSU. Wer sich schon einmal Spezi aus Orangenlimonade und Cola gemixt hat, weiß, was herauskommt, wenn die Schwesterparteien auf die Idee kommen sollten, ihre Farben Orange und Schwarz zu vermischen: ein klebriges Braun.