: Der Frauenfeind sitzt im Staatsfernsehen
Iranische Frauenorganisationen haben für heute zu einer Protestaktion in Teheran gegen das staatliche Fernsehen aufgerufen. Anlass ist die Fernsehserie „Eine andere Frau“, die für Polygamie wirbt. Solidaritätskundgebung auch in Frankreich geplant
VON BAHMAN NIRUMAND
Rund zwanzig verschiedene regierungsunabhängige Frauenorganisationen haben für heute zu einer Protestversammlung gegen frauenfeindliche Programme des staatlichen Fernsehens im Iran aufgerufen. Anlass zu dem Protestaufruf lieferte die Serie „Eine andere Frau“, in der von einem modernen Akademiker-Ehepaar erzählt wird, das keine Kinder bekommt. Aus Liebe zu ihrem Mann sucht die Frau – eine Journalistin – eine zweite Partnerin für ihn, die er ehelicht und mit der er Kinder zeugt. Der Mann ist „emanzipiert“, arbeitet im Haushalt, kümmert sich auch um die Kinder und lebt mit beiden Frauen in gemeinsamer Ehe.
Darin sehen die Frauen eine Werbung für Polygamie. Das Fernsehen ignoriere „die zunehmenden Aktivitäten der Frauen auf allen gesellschaftlichen Ebenen“ und die Tatsache, dass „Frauen, gestützt auf ihre eigene Kraft und ihre eigenen Begabungen, an den Universitäten und in den Bereichen Literatur, Wissenschaft, Kunst, Gesellschaft und Politik beeindruckende Positionen erobert haben“, heißt es in dem Aufruf der Frauenorganisationen. Dieser Entwicklung setze das Staatsfernsehen eine frauenfeindliche Politik entgegen. Die Fernsehfilme seien inhaltsleer, realitätsfern und reproduzieren ständig ein „traditionelles Frauenbild“.
Die vielfältigen Versuche, Millionen von Fernsehzuschauern eine von Männern dominierte Gesellschaft als Ideal zu suggerieren, seien zwar alt. Doch das Bewusstsein, das die Frauen heute erlangt hätten, lasse nicht mehr zu, dass sie auch weiterhin „die Erniedrigungen erdulden“ und „ihre Wut herunterwürgen“. Dieses Bewusstsein habe die passiven Zuschauerinnen mittlerweile in aktive Kritikerinnen verwandelt. „Wir werden das Fernsehen dazu zwingen, den Wandel der Zeiten zu akzeptieren“, betonen die UnterzeichnerInnen in ihrem Aufruf.
Derartige öffentliche Proteste im Iran wären noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen. Seit Beginn der Reformbewegung, an deren Zustandekommen Frauen einen wichtigen Anteil haben, ist der Kreis der Frauen, die aktiv an dem Kampf für Gleichberechtigung beteiligt sind, erheblich gewachsen. Was diese Bewegung, die nicht mit den inzwischen gescheiterten Reformversuchen von oben identisch ist, besonders interessant macht, ist der Umstand, dass sie nicht nur von laizistischen, sondern zu einem großen Teil auch von islamischen Frauen getragen wird.
Es gibt inzwischen in Iran zahlreiche Frauenorganisationen, Frauenzeitschriften ebenso wie Internetseiten, die sich kritisch mit religiös geprägten, traditionsorientierten Vorstellungen auseinander setzen und immer vehementer für die Gleichberechtigung eintreten. Der Protestaufruf gegen das Fernsehen macht deutlich, dass die aktiven Frauen entschlossen sind, ihren Weg weiter fortzusetzen – und das ungeachtet des Ende Februar durch Manipulationen errungenen Wahlsiegs der Islamisten bei den iranischen Parlamentswahlen.
Der Aufruf hat im Iran eine breite Diskussion entfacht. Eine der bekanntesten Frauen-Internetseiten, die Tribune Iranian Feminists (www.iftribune.com/indes.asp), veranstaltete eine Telefonumfrage zu dem Thema „Frauen im staatlichen Fernsehen“ und veröffentlichte einige Stellungnahmen der Befragten. Diese äußern sich ausnahmslos mit Abscheu über das Fernsehen und dabei insbesondere über die Filmserien. Diese würden die Männer ermuntern, Druck auf ihre Ehefrauen auszuüben.
Der Verein iranischer Frauen in Frankreich hat unterdessen bekannt gegeben, dass er sich dem Protest der Frauen im Iran anschließen und ebenfalls heute eine Protestkundgebung in Paris veranstalten wird. Auch die Frauengruppe der Auslandsorganisation „Bündnis der Republikaner Iran“ hat sich mit den Frauen im Iran solidarisch erklärt.