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Archiv-Artikel

Wahlen in China – und ganz ohne Mao-Look

Reichlich spät entdeckt China internationale Schönheitswettbewerbe. Natürlich werden es die größten der Welt

PEKING taz ■ Als Zhou Ling, 19, im Badeanzug auf die Bühne stöckelte, kam die Polizei. Zu ungesittet erschien den Ordnungshütern das Geschehen. Doch die Organisatoren und die Kandidatinnen ließen sich nicht beirren: Sie versammelten sich heimlich und kürten still und leise die erste chinesische Kandidatin für eine „Miss Universum“-Wahl in der südchinesischen Stadt Enping.

Siegerin Zhou Ling kümmerte sich nicht um das Grummeln konservativer chinesischer Parteifunktionäre und fuhr im vorigen Sommer zur Endausscheidung nach Puerto Rico. Prompt eroberte die junge Frau, die als Model für eine Schanghaier Firma arbeitet, den dritten Platz – und wurde über die Grenzen des Landes bekannt.

Ihr Erfolg wurde in China zunächst ignoriert. Empört geißelte daraufhin die südchinesische Yangzi-Abendpost die Doppelmoral der Öffentlichkeit: Das chinesische Fußballteam sei mit Beifall überhäuft worden, obwohl es bei der Weltmeisterschaft 2002 in Seoul kein einziges Tor geschossen hatte. Zhou hingegen blieb nach ihrem Erfolg ohne Lob: „Das ist typisch für die chinesische Haltung, Männer zu begünstigen und Frauen zu vernachlässigen“, schimpfte das Blatt.

Mittlerweile sind Schönheitswettbewerbe in China hoffähig geworden. Den Behörden dämmerte es, dass mit den Schönen des Landes Kasse zu machen ist. So wird Ende des Jahres mit der „Miss World“-Wahl – einer Gegenveranstaltung zur „Miss Universum“-Kür – erstmals eine internationale Konkurrenz in China stattfinden. Ort: der Badeort auf der tropischen südchinesischen Insel Hainan.

Die Vorbereitungen sind bereits in vollem Gang. Und wie immer, wenn Chinas Politiker und Geschäftsleute sich entscheiden, ein „Weltereignis“ in ihre Heimat zu holen, muss alles eine Nummer größer und besser sein: So entsteht eigens für die Schau ein 90.000 Quadratmeter großes „Kulturausstellungszentrum“, das „Krone der Schönheit“ heißen wird. Die Anlage kostet, so berichteten chinesische Zeitungen, 120 Millionen Yuan – rund 14,5 Millionen US-Dollar.

Kandidatinnen aus 117 Ländern und Regionen werden zu dem Spektakel erwartet. Die Endausscheidung soll im Fernsehen live in alle Länder übertragen werden, aus denen Teilnehmerinnen kommen. Tourismusvertreter und Werbeleute hoffen auf weitere Schönheitsparaden, die Geld nach China bringen könnten. Der offizielle chinesische Frauenverband nimmt die Sache gelassen und verkündete, man sei „weder für noch gegen“ solche Wettbewerbe.

Die 19-jährige Studentin Li Juanzi aus Peking findet solche Veranstaltungen „ganz normal“, wie sie sagt: „Die Frauen wollen sich abgucken, wie man sich schön macht. Und Männer mögen schöne Körper sowieso.“

JUTTA LIETSCH