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Archiv-Artikel

Senat ganz große Klasse

Ankündigung, Klassenstärken zu erhöhen, belebt Schulbündnis. Lehrer-Demo im Juni. Heute Schulschließung Thema im Parlament

„Schulschließungen und große Klassen sind für Eltern eine Horrorvorstellung“: Stephanie Odenwald

von KAIJA KUTTER

„Ich habe viel Kitt dabei, um zerschlagenes Porzellan zu reparieren“, hatte Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) bei ihrem Amtsantritt gesagt. „Sie hat in der kurzen Zeit mit zwei Themen selbst Porzellan zerschlagen“, erklärte gestern die GEW-Vorsitzende Stephanie Odenwald. „Schulschließungen und große Klassen sind für Eltern eine Horrorvorstellung.“

„Die Verantwortlichen im Senat sollten sich einmal eine Unterrichtsstunde in einer Mittelstufenklasse angucken, um zu realisieren, dass man die Klassen nicht noch größer machen kann“, ergänzt der Sprecher der SchülerInnenkammer, Felix Lorenzen. Die Einladung geht nicht an die Senatorin, sondern an Bürgermeister Ole von Beust (CDU) direkt, der sich in den Schulen ein Bild von der Lage machen sollte.

Lorenz und Odenwald nahmen gestern am Hamburger Schulbündnis teil, dass über Reaktionen auf die noch junge CDU-Bildungspolitik beriet. Womöglich Anfang Juni wird es die erste größere Bildungs-Demo geben.

Unterdessen bemüht sich die Bildungsbehörde, die Wogen zu glätten. Die 18 Schulstandorte, die auf einer Ostern bekannt gewordenen Liste zur dauerhaften Schließung aufgelistet wurden, sollen nun doch nur von „organisatorischen Maßnahmen“ betroffen sein, erklärt Sprecher Alexander Luckow. Das bedeutet, dass das Verbot, neue Klassen einzurichten, noch nicht dauerhaft, sondern zunächst nur für ein Jahr gilt. Luckow: „Das heißt aber nicht, dass Schulschließungen ausgeschlossen sind.“ Die Bildungsbehörde will im Herbst „mit Bürgerbeteiligung“ eine umfassende Schulentwicklungsplanung erarbeiten, sagt Luckow: „Das setzt eine Offenheit für Argumente voraus.“

Für die betroffenen Schulen ist dieser Mini-Rückzieher keine Lösung. „Wenn wir in 2004 keine erste Klasse einrichten, ist der Ruf ruiniert. Dann melden sich im nächsten Jahr keine Eltern an“, erklärt der Elternratsvorsitzende der Schule Schierenberg, Torsten Elling-Kedron. „Um eine gute Grundlage für eine Schulentwicklungsplanung zu haben, müssten alle Maßnahmen zum 1. August zurückgenommen werden“, fordert auch GAL-Schulpolitikerin Christa Goetsch.

Die GALierin hatte beantragt, „die Schulplanung vom Kopf auf die Füße zu stellen“ und die Entscheidungen, welche Schulen fusionieren oder schließen, in kleine Expertenrunden mit Beteiligung von Kreiselternräten und Bezirksgremien in den elf Schulkreisen zu deligieren. Der Antrag soll heute im Schulausschuss der Bürgerschaft beraten werden, zu dessen Sitzung auch mehrere der betroffenen Schulen mobilisieren. Allerdings wusste der CDU-Fachsprecher für Schule, Robert Heinemann, gestern noch nicht genau, mit welchem Gegenvorschlag seine Fraktion aufwarten will. „Der GAL-Vorschlag ist nicht praktikabel“, erklärte Heinemann der taz. Die Bildung von Expertengremien benötige zu viel Zeit, da man bis zur Vorlage des neuen Anmeldeverzeichnisses im November fertig sein müsse. Heinemann schwebt deshalb vor, dass alle beteiligten Bürgergremien vor Ort ihre Stellungnahmen zu einer Vorlage der Behörde abgeben dürfen, die diese dann wiederum einsammelt und zu einer Gesamtentscheidung verwertet.

Dies freilich hätte mit der Goetsch-Idee nicht mehr viel gemein. Wenn Schulen und Eltern nur Stellung nehmen, aber letztlich nichts mitentscheiden dürfen, geht die Porzellanschlacht wohl weiter.