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Archiv-Artikel

Der Neue bei Zero-Cuatro

Eigentlich wollte Jupp Heynckes nicht mehr weg aus Bilbao, doch Rudi Assauer konnte ihn zum Wechsel nach Schalke überreden, wo der Trainer das Team auf das Niveau seiner Fans bringen will

aus Bilbao RONALD RENG

In seinem Haus in der baskischen Provinz hat Jupp Heynckes zwei Telefone, und am Montag benutzte er sie gleichzeitig, um zwei grundverschiedene Nachrichten loszuwerden: eine für die Presse, eine für die Möbelpacker. „Ich kann es Ihnen heute wirklich noch nicht sagen, wo ich nächste Saison sein werde“, sagte der deutsche Fußballtrainer von Athletic Bilbao gerade, und dann klingelte sein anderes Telefon: „Hallo?! Ah, ja. Sagen Sie, können Sie schon vor drei Uhr kommen? Sehr gut! Was? Ja, ja, nach Deutschland geht das ganze Zeug.“ So erfuhren ein paar Möbelpacker weltexklusiv, was ein Dutzend Journalisten schon seit Wochen vergebens aus Heynckes herauszubringen versuchten: Nach acht Jahren in Spanien und Portugal kehrt einer der erfolgreichsten deutschen Trainer, der unter anderem 1998 die Champions League mit Real Madrid gewann, zurück in die Bundesliga. Zu „Schalke zero-cuatro“, wie der 58-Jährige schließlich am Dienstag in Athletics Trainingszentrum Lezama bekannt gab.

Es war schon seit Tagen eines der am schlechtesten gehüteten Geheimnisse des Profifußballs, und dennoch konnte bis gestern – außer den Möbelpackern – keiner sicher sein, weil sich Schalke 04 strikt an Heynckes’ Wunsch hielt: „Ich komme, aber ihr dürft es noch nicht bekannt geben, bevor ich in Bilbao alles geklärt habe, sonst ist hier der Teufel los.“ Gestern, nachdem Heynckes Bilanz seiner zweijährigen Arbeit in Bilbao gezogen hatte, war dann gar nichts mehr los in Lezama: Ausgestorben lag das Trainingszentrum da, und Heynckes machte es sich in einem der roten Plüschsessel bequem.

Eigentlich hatte er nicht mehr von hier fortgehen wollen. „16-mal sind wir in meiner Karriere schon umgezogen“, sagt er, „als ich im Sommer 2001 kam, dachte ich: Es reicht, hier will ich in Rente gehen.“ Nun ist er dabei, die schönsten Erwartungen zu erfüllen, Bilbao, achtmal Spanischer Meister, aber bei Heynckes’ Ankunft nur noch Mittelmaß, ist als Tabellensechster einen Spieltag vor Saisonende zurück in der Spitze. „Wir haben Athletic wieder eine Zukunft gegeben“, sagt Heynckes, doch er hatte sich schon im Dezember entschlossen, nicht mehr Teil dieser schönen Aussicht sein zu wollen. Damals war die Elf kurzzeitig in Abstiegsnähe geraten, die Kritik schlug Heynckes hart ins Gesicht, „und vom Verein kam nichts“, kein aufmunterndes Wort, keine flammende Solidaritätserklärung. „Man muss auch in schlechten Zeiten mit dem Trainer sein“, sagt leise Heynckes, der in seiner langen Karriere keinen Vertrag gebrochen, keinem Arbeitgeber Dreck hinterhergeworfen hat. Am 5. März schrieb er Uria, er werde seinen nun auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Als der Präsident ihm vergangenen Mittwoch nochmals eine Verlängerung anbot, brauchte Heynckes nicht zu überlegen. Er hatte sich schon für Schalke entschieden.

Den DFB-Pokalsieger von 2001 und 2002, der dieses Jahr die Bundesliga nur als Siebter abschloss, wieder „auf das Niveau seiner Fans bringen“ will er, und was das bedeutet, ist klar: „Es gibt kaum bessere Fans in der Welt.“ Ob die Mannschaft die Qualität dazu hat, weiß Heynckes nicht; er vermutet es nur. Denn er hat die Bundesliga nur noch beiläufig verfolgt, weil „du im Leben nie zwei Sachen gleichzeitig machen kannst“. Am Sonntag ist der letzte Spieltag in Spanien, am Mittwoch beginnt das Training in Schalke. „In meinen Kopf passt Schalke im Moment noch gar nicht rein, ich bin mit meiner ganzen Kraft noch hier.“

In Madrid sind die Gedanken. Dort muss Athletic am Sonntag gegen Real wohl gewinnen, um Platz sechs und die Qualifikation für den Uefa-Cup zu verteidigen, während Real den Sieg braucht, um Meister zu werden. „Ist doch wunderschön“, sagt Heynckes und lacht. Der Startplatz im Uefa-Cup wäre eine feine Bestätigung, aber er braucht sie nicht. Er weiß, was er erreicht hat. „Als ich kam, war Athletic eine überalterte Elf ohne Ambition.“ Heute sagt Heynckes: „Ich bin felsenfest überzeugt, dass wir auf Jahre immer um einen Uefa-Cup-Platz spielen können.“ Wir, sagt er. Als Jupp Heynckes Lezama verlässt, klingt er nicht wie ein Trainer, der geht, sondern wie einer, von dem etwas bleibt.