Immunität rettet Berlusconis Kopf

Italiens Abgeordnetenhaus wird heute die juristische Unantastbarkeit von Inhabern der höchsten Staatsämter beschließen. Damit steht auch der letzte Prozess gegen den Premier vor dem Aus. Vor Gericht gefällt sich Berlusconi derweil in der Opferrolle

aus Rom MICHAEL BRAUN

Silvio Berlusconis seit nunmehr fast zehn Jahren währende Auseinandersetzung mit der Justiz geht in die vorerst letzte Runde. Heute Nachmittag wird das Abgeordnetenhaus nach dem in der letzten Woche erfolgten positiven Votum des Senats definitiv das Gesetz verabschieden, das Italiens Premier seiner juristischen Sorgen entheben wird. Gestern nutzte der Ministerpräsident einen Auftritt vor dem gegen ihn verhandelnden Gericht in Mailand, um sich passend zum neuen Gesetz als unschuldig Verfolgter zu präsentieren.

Das heute zur Abstimmung anstehende und von der Opposition „Rettet Berlusconi“ getaufte Gesetz sieht schlicht und einfach vor, dass die Inhaber der fünf höchsten Staatsämter – der Staats- und Ministerpräsident sowie die Präsidenten der beiden Kammern und des Verfassungsgerichts – während ihres Mandats nicht vor Gericht gestellt werden dürfen. Diese Norm gilt uneingeschränkt für alle Verbrechen, und die Justiz bleibt so lange zur Untätigkeit verdammt, wie der von ihr Verdächtigte auf einer dieser fünf Positionen sitzt. Mit anderen Worten: Berlusconi hätte auch am Ende seiner Amtszeit im Jahre 2006 nichts zu fürchten, wenn er erneut gewählt oder, wie von ihm angestrebt, er ins Amt des Staatspräsidenten wechseln würde.

Der letzte gegen ihn in Mailand wegen Richterbestechung laufende Prozess steht damit faktisch definitiv vor dem Aus. Denn bei einer Wiederaufnahme in einigen Jahren müsste das Verfahren angesichts der sicher zu erwartenden anderen Zusammensetzung der Strafkammer komplett neu aufgerollt werden. Wie schon in anderen Prozessen würde Berlusconi dann von der nicht mehr fernen Verjährung profitieren.

Parallel dazu hat Berlusconi mit seiner Prozessstrategie dafür gesorgt, dass die Gesetzesänderung nicht zu spät kommt. In diesen Tagen hätten die Plädoyers der Staatsanwälte beginnen sollen, und Berlusconi hätte damit rechnen müssen, dass gegen ihn – wie schon im parallelen Verfahren gegen einige Mitangeklagte – eine Haftstrafe von über zehn Jahren gefordert werden würde. Der Ministerpräsident aber zögerte diese unschöne Wendung oder gar ein Urteil hinaus, indem er sich nach dreijähriger konstanter Abwesenheit dem Gericht zur Abgabe einer „spontanen Erklärung“ zur Verfügung stellte.

Nach einem ersten Auftritt im Mai erschien er gestern wieder vor der Kammer in Mailand. Während die Anklage ihm vorwirft, per Bestechung von Richtern in der seit 1985 tobenden Übernahmeschlacht um eine staatliche Lebensmittelholding ein Urteil gegen einen Mitbieter erkauft zu haben, erklärte sich Berlusconi zum Opfer falscher Zeugen und einer parteiischen Justiz, die die Zeugen präpariert, Beweise gefälscht und ihn „mit Tonnen von Schlamm beworfen“ habe. Zugleich kündigte er eine erneute Aussage für den 25. Juni an.

Diese Ankündigung reicht, um die Staatsanwaltschaft an der Aufnahme des Plädoyers zu hindern, doch Berlusconi wird kaum noch einmal nach Mailand reisen müssen: Die Verabschiedung der auf ihn zugeschnittenen Generalimmunität gilt als ebenso sicher wie die Gegenzeichnung des Gesetzes durch Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi.

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