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Archiv-Artikel

Streik gebrochen

Beim Autozulieferer Federal Mogul in Dresden arbeitet eine Mehrheit der Belegschaft unter der Belagerung streikender Metaller-Kollegen weiter

Zu Streikbeginn verließ das Unternehmen den Arbeitgeberverband

aus Dresden MICHAEL BARTSCH

„Da kommt die Bonzenschleuder!“ Der Spott der Streikenden begleitet den Hubschrauber über dem Werksgelände der Federal Mogul im Norden Dresdens. Mit dem Hubschrauber lässt sich, aus Nordrhein-Westfalen kommend, Geschäftsführer Friedel Martiny absetzen. Es ist bereits der zweite Versuch, aus der Luft den Ring der Streikposten um das Werksgelände zu durchbrechen. Im ersten Hubschrauber saßen für die Kolbenring-Produktion wichtige Experten und ein MDR-Kamerateam.

Am Morgen allerdings waren die Frauen und Männer in den roten Plastikwesten der IG Metall einen Moment zu spät gekommen. In zwei Bussen war fast die gesamte arbeitswillige Frühschicht von der Betriebsleitung in die Nähe des Werksgeländes gefahren worden. Über ein Nachbargrundstück konnten knapp 100 zu ihren Arbeitsplätzen vor-dringen. „Ich lasse mir meinen guten Arbeitsplatz nicht kaputtmachen“, erklärt Hartmut Scheffler, der hier als IT-Manager arbeitet. Nach gescheiterten Gesprächen am Sonntag hatte die IG Metall beschlossen, den Automobilzulieferer von Dienstag bis Freitag zu bestreiken.

Die Initiative zur Streikverweigerung ging von einer Produktionsabteilung aus. Rund zwei Drittel der Belegschaft sprach sich per spontaner Unterschriftensammlung gegen einen Streik aus, obschon die Urabstimmung noch eine Mehrheit dafür ergeben hatte. Tatsächlich ist die amerikanische Konzerntochter immer als Musterunternehmen zitiert worden, das teilweise über den Flächentarif hinausging. Mit der Pausenbezahlung etwa sei man effektiv schon bei 35,5 Wochenarbeitsstunden, sagt Frank Opitz von der Standortleitung Dresden.

Mit dem Flächentarif ist es allerdings nun vorbei. Unmittelbar vor Streikbeginn in Ostdeutschland trat Federal Mogul aus dem Sächsischen Metallarbeitgeberverband VSME aus. „Ein wohl einmaliger Vorgang in Deutschland“, kommentiert Betriebsratschef René Vits. Beim ersten Haustarifgespräch am Sonntag sei nicht einmal ein Anerkennungstarif signalisiert worden.

Gerade das bestreitet aber die Betriebsleitung. Per Aushang sei eine Besitzstandsregelung auf dem bisherigen Niveau angekündigt worden. Allerdings habe man in einer Versammlung auch auf die Risiken des Streiks hingewiesen. „Wir haben volle Auftragsbücher und sehen einer Investition von mehr als 2 Millionen Euro entgegen“, gibt Opitz zu bedenken. Im Konzern gebe es aber genügend freie Kapazitäten, die wiederum den Standort Dresden gefährden könnten.

Hier fühlen sich Gewerkschafter mit dem Totschlagargument osteuropäischer Konkurrenz unter Druck gesetzt. „Ich habe sogar Verständnis für die Arbeitsplatzängste der Kollegen drinnen“, sagt der Betriebsratschef. Er und Mitstreiterin Kathrin Lohse betrachten die Zuspitzung in Dresden als gezielte Provokation des VSME wegen der Schlüsselwirkung des Betriebes. Kommen die just in time produzierten Kolbenringe nicht, stehen auch anderswo die Bänder still.

Bröckelt umgekehrt hier die Front, könnte das ebenfalls Signalwirkung haben. Vielleicht werden deshalb Reservetruppen aus ganz Sachsen und halb Schwaben von der IG Metall herangeführt. „Auf die Belegschaft hier brauchst du nichts geben“, tönt jemand in hörbarem Nichtsächsisch zu den Fahnenträgern.

Von der IG-Metall-Streikleitung ist schlichtweg niemand erreichbar, der die Frage beantworten könnte, ob der Streik ausgerechnet in diesem relativ zufriedenen Betrieb ein taktischer Fehler war. Es steht hier Spitze auf Kante. Die Produktion läuft. Der Hubschrauber bringt jetzt Schlafsäcke und Nahrungsmittel. Und fliegt die fertigen Kolbenringe wieder aus.