: Mit ihnen reden, nicht über sie
Rat der islamischen Gemeinden Hamburgs fordert mehr Mitsprache für Muslime. Grundsatzpapier zur Integration vorgestellt. Schura beklagt Terrorhysterie und Kopftuchstreit und kritisiert die Ausgrenzung aus dem Integrationsbeirat des Senats
von EVA WEIKERT
Perfekt ist das Papier freilich nicht. „Das ist aus unserer Sicht ja nur der Koran“, stellte Mustafa Yoldas klar, als er gestern als Vorstand der Schura, dem Rat der islamischen Gemeinden in Hamburg, mit einem Stapel Kopien vor die Presse trat. Das Schriftstück, das Yoldas den in die Centrum-Moschee nach St. Georg geeilten Journalisten überreichte, trägt die Überschrift „Muslime in einer pluralistischen Gesellschaft“ und wurde vergangene Woche von der Schura verabschiedet. Die bekennt sich darin zum Grundgesetz und fordert „Glaubensfreiheit und Gleichberechtigung“ ein. Das Papier solle eine Debatte über die Integration der Muslime entfachen, so Yoldas: „Redet mit statt über uns.“
Neun Monate haben die in der Schura (siehe Kasten) organisierten Muslime diskutiert, was sie unter Integration verstehen. Das Ergebnis ist ein dreiseitiges Thesenpapier, das 40 der 41 Mitgliedsvereine signierten. „Ein Verein hat sich an wenigen Formulierungen gestoßen“, erklärte Yoldas. Alle anderen konstatieren, der Islam sei längst „Teil der deutschen Gesellschaft“ und auch Menschen ohne deutschen Pass sähen sich „als Bürger, die dieses Land mitgestalten“. Ausdrücklich lehnen die Unterzeichner „Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab“ und bekennen sich „vorbehaltlos“ zur demokratischen Grundordnung.
Unterzeichnet hat die Blätter auch die im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September in Verruf geratene Quds-Moschee am Steindamm. Die Attentäter sollen dort ein- und ausgegangen sein. Anwalt Norbert Müller, ebenfalls im Schura-Vorstand, betonte: „Wir haben keine Gewissensprüfung vor der Abstimmung gemacht.“ Die Gemeinde habe sich aber „kritisch mit der Vergangenheit auseindergesetzt“ und zudem einen neuen Imam. Im Zuge der aufgewühlten Sicherheitsdebatte geraten Muslime unter Generalverdacht, wie Müllers Vorstandskollege Yoldas beklagte. „Diese Diskussion schüchtert uns ein.“
Neben der Terrorhysterie lasse auch der Streit um das Kopftuch im öffentlichen Dienst viele Muslime resignieren. In jüngster Zeit erfahre die Schura immer häufiger von Bewerberinnen mit Kopftuch, die jetzt auch von der Privatwirtschaft abgelehnt würden. „Wir haben das Gefühl, uns ist alles verboten“, klagt Yoldas. Dabei sei der Glaube an Gott und die Befolgung seiner Gebote „für uns Muslime von zentraler Bedeutung“.
In ihrem Papier verlangt die Schura neben der Tolerierung des Kopftuchs darum auch die Erlaubnis zum rituellen Schlachten. Zugleich fordert sie das Recht auf den Bau von Moscheen – eine Anspielung auf die aktuelle Blockade eines Moscheebaus in Neugraben durch die Harburger Bezirksversammlung. Darüber hinaus mahnt das Papier die Schulen an, mehr Rücksicht auf den wachsenden Anteil muslimischer Schüler zu nehmen. So müsse über das Fach Religion hinaus etwa in Geschichte und Sozialkunde mehr über den Islam informiert werden.
Dass die Schura beim Senat mit ihrem Anliegen Gehör findet, ist indes äußerst fraglich. Wurde sie doch nach der neuen Regierungsbildung wieder nicht in den Integrationsbeirat von Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) berufen. „Für uns ist das der eindeutige Hinweis“, sagte Yoldas bitter, „dass man uns abstrafen will.“